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Für Beton

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Betonbauten, und gar solche aus Sichtbeton, sind heute beinahe unanständig. Fast als peinlich gilt es, sich dafür einzusetzen. Allerdings nicht für uns im Atelier 5. Wir haben nicht die geringsten Bedenken, unsere Häuser vorzuzeigen. Wirfinden Beton ein praktisches, schönes und lebendiges Material, das Teil unserer Zeit und Teil der Architektur ist. Nimmt man sich die Mühe, einmal ohne Vorurteil über den Beton nachzudenken, wird sofort klar, dass gerade dieses Material in ganz besonderem Mass die moderne Architektur-die unserer Zeit und nicht die, welche zwar heute gebaut wird, aber schon einmal da war - geprägt hat. Seine Fähigkeit als Stütze, Scheibe, Kasten oder Schale zu tragen, zugleich Boden, Decke und Raumteiler zu sein, kommt einer Raumauffassung entgegen, welche für heutiges Bauen wesentlich ist. Statt einer Aufreihung wandumschlossener Kästen, statt Säuleinhallen und Portici, statt der schon bald verstaubten Dialektik von Tragen und Getragen werden, können jetzt Raumfolgen gedacht werden, horizontale und vertikale Verflechtungen innerhalb eines Ganzen. Die Architektur wird zum plastischen und räumlichen Ereignis und hört auf bloss Fassade und Kiste zu sein.

2 Siedlung Thalmatt I, Haus Lanini 3 Mensa, Stuttgart 4 Haus Merz, Môtier 5 Siedlung Thalmatt II 6 Wohnhaus Dr. Möhl, Kerzers 7 Siedlung Thalmatt I 8 Siedlung Thalmatt I

Dass man mit Beton monolythisch bauen, dass man bei sehr komplexen Bauaufgaben mit fast nur einem Material auskommt, ist für uns eine zweite wichtige Eigenschaft. Ausschlaggebend ist sie für Siedlungen, für verdichtete Ensembles, wo der Aussenraum ebenso Teil der Gebäude ist, wie die Wohneinheiten selber. Dort also wo es darum geht innen und aussen zu verbinden, weil beide Teile eines Ganzen sind. Dort aber auch, wo es darum geht, verschiedenste Wohnprogramme und Funktionen zum Ausdruckzu bringen und doch die Einheit zu bewahren. Die Beschränkung auf wenige Materialien ist ein altes Rezept, um Zusammenhalt in ein notwendigerweise komplexes Gebilde zu bringen. Südliche Städte und Dörfer sind dafür traditionelle Beispiele. Zum Beton gehört aber nicht nur sich im Materiel zu beschränken, sondern auch auf Blechabdeckungen, Schutzstreifen oder gar auf Fensterrahmen verzichten zu können. Alles Möglichkeiten, welche diesem Material eine selbstverständliche Brauchbarkeit verleihen, und es erlauben, im Detail einfach zu bleiben.

Und noch ein drittes, fasziniert uns am Beton: sein Charaktereines primären, eines «natürlichen» Materials. Der Beton trägt Zeichen seiner Entstehung und erverändert sich mit derZeit. Erwächst zwangslos, wie Stein aus seiner Umgebung heraus und wird selber übenwachsen. Er lässt ein selbstverständliches Zusammengehen mit der Natur ebenso zu wie das bewusste Entgegenstehen in einer städtischen Umgebung. Allerdings kann man auch Beton grenzenlos missbrauchen. Man kann ihn zutode glätten, streichen, bosseln und formen, doch dafür kann er ebensowenig wie das Holz für die bekannt abscheulichen Plastikimitationen.

Ob diese Argumente genügen, ob unsere Bauten der heute landläufigen Betonkritik standhalten, das möge ein jeder selber beurteilen. Warum aber unsere Vorliebe und Treue zu diesem einen Material, diese Frage ist nicht so genau zu beantworten. Sicher spielt da der Anfang, spielen die «Eltern», eine wichtige Rolle. Für das Atelier 5, also Le Corbusier und seine Arbeiten nach dem Krieg. Doch wirklich entsteht eine Vorliebe nur über Zeit, und da gilt, was Franz Fuegg geschrieben hat:«Gehört zu den wenigen Rezepten für Qualität in der Architektur die Beschränkung der Zahl der Mittel, dann gesellt sich dazu noch ein anderes : die langdauernde Beschränkung auf die gleichen Mittel, weil der Architekt erst durch Erfahrung jene handwerkliche Fähigkeit gewinnt, die den inneren Gesetzmässigkeiten der gewählten Mittel gemäss ist.»