Architecture Suisse

LIBRE

Öffentliches Beschaffungswesen

casa.png

Das Preisgekrönte Projekt aus dem Städtebaulichen Parallelprojektwettbewerb für den Bereich "Etoile" in Praille, Acacias, Vernets ). Pierre-Alain Dupraz, Gonçalo Byrne, Proap & Ingeni © Dupraz et Byrne

Regelmässig hört man nach Wettbewerben bittere Kritiken der Art „unkompetente Jury“, „immer dieselben, die gewinnen“ oder auch „Wettbewerbe sind nur eine Variante des Kartells der Auftragsvergabe“. Sicher, man kann das erklären durch die Enttäuschung, verloren zu haben – wenn drei Monate passionierter Arbeit plötzlich zu Nichts werden. Trotz allem bleiben die Architekten und Bauingenieure diesem Brauch fest verbunden – dies bezeugt die ständig zunehmende Teilnahme an den verschiedenen Wettbewerben in der Westschweiz, einem heute reich damit versehenen Territorium.

Diese Erfolge, wie auch die damit verbundenen Kritiken, sind eine Verpflichtung für die Organisatoren wie auch für die Bauherren. Wenn sie auch weiterhin davon profitieren wollen, dass ihnen von Fachleuten gratis intellektuelle Leistungen geboten werden – ein einmaliger Fall bei der Vergabe öffentlicher und privater Aufträge! – dann müssen sie bei der Erarbeitung der Wettbewerbsbedingungen äusserst sorgfältig vorgehen. Vor allem betrifft dies die Zusammensetzung der Jurys, die ständige Erneuerung ihrer Mitglieder, eine gerechte Vertretung aller Interessen im Spiel (die späteren Benutzer und Anrainer mit inbegriffen), die Wahl eines optimalen Ablaufes und dazu eine totale Transparenz bei der Niederschrift der Diskussionen und der Veröffentlichung der Ergebnisse.

Die Konsequenzen des Rückgangs von Ideen- und Projektwettbewerben können überall in Europa beobachtet werden. Zahlreiche Länder haben nämlich die GATT/WTO-Regeln zur Vergabe öffentlicher Aufträge gar nicht in ihr nationales Recht übernommen. Im Gegensatz zur Schweiz haben sie es damit nicht unternommen, das darin liegende Hauptproblem klarzustellen, nämlich die Definition des intellektuellen Wertes einer Leistung im Vergleich zu dem objektiv erfassbaren Preis einer Ware.

So hat man sich also in Barcelona oder in Brüssel damit begnügt, Preisangebotsverfahren (oder „verhandelte“ Wettbewerbe) durchzuführen, oft mit beschränkter Teilnehmerzahl, aber seit zwanzig Jahren fast nie mehr Ideen- oder Projektwettbewerbe. Das öffentliche Bauwesen wurde so von der Kultur des Bauens getrennt, die Hauptakteure der Bauwirtschaft, die Investoren und die Bauentwickler hatten freies Spiel. Sicher, diejenigen darunter wie die Veranstalter des Wettbewerbs „Réinventer Paris“, bringen gerne einige Stars und Aufsteigertalente in ihre Teams, aber der Preis bleibt doch das ausschliessliche Kriterium, untermalt durch verlockende Präsentationen mit 3D-Darstellungen und Videosequenzen und oft vagen Nachhaltigkeitsversprechen – fliegenden Bäumen, besonnten Terrassen und lachenden Kindern...

Die Schweiz ist bisher von dieser merkantilen und „Disneyartigen“ Tendenz verschont geblieben. Mit ihren SIA-Regeln 142 und 143 verfügt sie über ein verlässliches Arsenal an Werkzeugen zu einer ordnungsgemässen Vergabe öffentlicher Aufträge. Es geht darum, dass alle Teilnehmer – Berufsverbände und öffentliche Bauherren – stets entschieden und gewissenhaft davon Gebrauch machen.

Francesco Della Casa, Kantonsarchitekt