Architecture Suisse

LIBRE

Holz in seinem Zeitgenössischen Ausdruck

photo 1.JPG

DOPPELT GEKRÜMMTE BOGENFORM. ARCHITEKTEN: VALENTINY, WEINAND – STATIK: INGENIEURBÜRO WEINAND

Bei meiner Arbeit als Direktor des Instituts IBOIS – Labor für Holzkonstruktionen an der ETH Lausanne – bin ich bemüht, den fundamentalen Beziehungen zwischen Kunst und Wissenschaft gerecht zu werden, und dazu den zahlreichen Sachzwängen, die bei dessen Verarbeitung und Zusammenbau anfallen. DieseSicht der Dinge erlaubt es, den mechanischen Anforderungen von Formen und Strukturen zu genügen, indem man sie als Faktoren betrachtet, die ihren Sinn und ihre Bedeutung nur in dem Zusammenhang entfalten, in welchem sie geometrisch ihren Massstab erhalten. Ich betrachte die Anwendung von Mitteln zur digitalen Darstellung von Architektur als ein wertvolles Instrument, mit welchem die Struktur, die Form und das Material zu einem Design-Konzept vereinigt werden können. Diese digitale Modelldarstellung kann jedoch die Arbeit mit der realen Materie nicht ersetzen, dem entscheidenden Element bei der Erarbeitung der Form, des Raumgebildes und der Struktur, die sich daraus ergibt.

Unsere neue Zeit hat Projekte aus dem Gebiet der Bauingenieurtechnik hervorgebracht, die den Bereich der klassischen, euklidischen Geometrie verlassen haben. Die neu entstehenden Werkzeuge der Informatik erlauben heute, digital bestimmte Formen zu entwickeln, die man nicht unbedingt analytisch bestimmen kann und bei denen es schwierig, wenn nicht unmöglich ist, die dadurch bestimmten geometrischen Oberflächen genau zu beschreiben.

Mit dem Erscheinen dieser neuen digitalen Werkzeuge wurde das Verhältnis zwischen Form und Oberfläche in Frage gestellt – es erscheint eindringlicher wieder. Heute kann die Ausrichtung beim Entwurf variieren: soll eine bestimmte Struktur formal optimiert werden, oder soll man umgekehrt eine ausgewählte Form so gestalten, dass sie strukturell wirksam ist? Diese Frage ist eng mit der der Aufteilung einer globalen Form verbunden. In der Architektur und ganz generell im Bauwesen ist es erforderlich, die Form zum Beispiel eines Dachstuhls in Untergebilde aufzuteilen, um sie konstruieren zu können. So bestimmt man Tragweiten und Achsabstände, woraus dann ein System aus Bauteilen und Unterbauteilen entsteht. Bei der Überlegung, wie eine globale Form nach richtigen Kriterien gebaut werden kann, ist diese Art des Verfahrens des Unterteilens einer globalen Form von grosser Wichtigkeit. Je nach Beschaffenheit der Oberfläche solch einer Form kann das Verfahren der Aufteilung ganz einfach oder aber auch unlösbar sein – die Form kann dann nicht realisiert werden. Daher ist es wichtig, die geometrische Beschaffenheit einer Oberfläche zu verstehen – Eigenschaften, die das darauf folgende Modell der Aufteilung bestimmen. Mit diesem Modell der Aufteilung variiert auch die geometrische Regel, die das Verhältnis der Teile zueinander bestimmt, im folgenden „lokale Situation“ genannt.

Unsere Forschung führt uns zu neuartigen Lösungen, die effizient verwirklicht werden können – einer neuen Architektur in Holz. Die automatische Holzbearbeitung ist zu einer allgemein üblichen Technik bei der Herstellung von Holzverbindungen bei Rahmen und Dachtragwerken geworden. Sie hat die traditionellen genuteten und gezapften Verbindungen wiederaufleben lassen.

In letzter Zeit wurde die automatische Herstellung von traditionellen Schreinerverbindungen eingeführt bei der Verbindung von Holzpaneelen zu Schalenstrukturen. Die ersten Prototypen mit solchen Fugenverbindungen wurden dabei beim Ausrichten und Aneinanderfügen der Bauteile benutzt, wobei für die tragenden Verbindungen zusätzliche Leimverbindungen notwendig wurden. Da diese Klebeverbindungen nicht auf der Baustelle ausgeführt werden konnten, ergaben sich daraus Probleme bei der Konzeption. Dank jedoch ihrer Geometrie mit einem einzigen Freiheitsgrad (1DOF) blockieren diese Fugenverbindungen die relative Bewegung der beiden Seiten in alle Richtungen ausser einer. Dank der Zapfen-Verbindungen von kunststoffbeschichteten Paneelen kann man den Widerstand gegen Scherkräfte der Zapfen mit einer hohen Resistenz gegen Biegemomente und Zugkräfte der Fläche kombinieren.

Die Ausführung einer Platte nach dem Schema der Miura-Ori-Faltung erlaubt es, Strukturen aus Flächen mit doppelter Kurvenform zu schaffen, die fabriziert und zusammengebaut werden können. Während das Schema von Yoshimura zu Flächen mit engem Krümmungsradius und grossformatigen Platten führt, kann das Miura-Ori-Muster auch für Flächen mit wenig Krümmung verwendet werden. Hierbei führen die vertikalen Erhebungen bei Miura-Ori zu gewissen strukturellen Nachteilen.

Prof. Yves Weinand

photo 2.jpg

KAPELLE ST-LOUP, 1318 POMPAPLES (VD) ARCHITEKTEN: YVES WEINAND, HANI BURI | LOCALARCHITECTURE | DANILO MONDADA | DAS GESAMTE PROJEKT FINDEN SIE IN AS 170 / 3-2008