Die Schweiz ist ein kleines Land mitten in Europa, aber ein vielgestaltiges: vier Landessprachen, 26 Kantone. Kohäsion und Heterogenität prägen die Schweiz, und das gilt auch für die Baukultur. Von aussen betrachtet wird die Schweiz für die Qualität ihrer Architektur bewundert, aus der Innenperspektive wird die Unterschiedlichkeit, die Eigenart der unterschiedlichen Architekturszenen sichtbar: In der Deutschschweiz baut man anders als in der Romandie oder im Tessin. Und die einzelnen Architekturregionen stiessen zu unterschiedlichen Zeiten auf das Interesse ausländischer Besucher: In den Siebzigerjahren reiste man ins Tessin, in den Achtzigern nach Basel, in den Neunzigerjahren nach Graubünden…
Inzwischen, so scheint es, ist das Verhältnis ausgewogener. Herausragende Architektur entsteht an verschiedenen Stellen, konzentriert sich nicht an bestimmten Orten oder in bestimmten Regionen, sondern verteilt sich über das Land mit seinen 26 Kantonen. Dabei ist es vielfach das Bauen der öffentlichen Hand, das Massstäbe setzt. Kantonsbaumeister spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle – die Beispiele von Basel mit Carl Fingerhuth und Graubünden mit Erich Bandi lehren: Ideen und Konzepte, die von öffentlicher Seite aus auf die Agenda gesetzt werden, wirken sich schliesslich auch auf private Bauherrschaften aus. Dieser Mechanismus wird auch anhand von anderen Architekturregionen evident, etwa angesichts der Entwicklung, die Vorarlberg in den letzten Jahrzehnten genommen hat.
Das Bauen der öffentlichen Hand, das Bauen der Kantone erfordert also höchstes Verantwortungsbewusstsein, denn es geht nicht nur um das jeweilige Projekt, sondern auch um dessen Signalwirkung. Wie umfangreich das Spektrum der von den Kantonen betreuten Bauaufgaben ist, zeigt das Spektrum der versammelten Projekte in dieser dem öffentlichen Bauen gewidmeten Spezialausgabe von AS. Es handelt sich um ganz unterschiedliche Bauaufgaben, welche die Kantone zu bewältigen haben: von Infrastruktureinrichtungen über Wohngebäude bis hin zu gemeinschaftlichen und kulturellen Bauten. Dabei geht es nicht immer um Neubau, sondern auch um Umbauten – ein Thema, das in den kommenden Jahren zweifelsohne noch an Bedeutung gewinnen wird.
Hubertus Adam