Architecture Suisse

LIBRE

1972 - 2022

1971 bestand das Schweizer Verlagspanorama aus drei großen Zeitschriften für Architektur und Städtebau: Werk, Bauen + Wohnen und Architecture Formes + Fonctions von Ed. Anthony Krafft.

Eine sehr übersichtliche Redaktionslandschaft angesichts der heutigen – übersättigten – Situation.

Damals stellte Anthony Krafft, der Herausgeber und Chefredakteur, fest, dass nur 5% aller Schweizer Projekte in der Presse veröffentlicht wurden. Darüber hinaus fanden die Schweizer Architekten nicht das Material, das ihren Problematiken entsprach. Im Allgemeinen wurde nur ein elitärer Kreis veröffentlicht und in der Presse repräsentiert, obwohl die Qualität der Produktion eindeutig war. Ein Vintage-Algorithmus, der sich auf die menschlichen Grenzen beschränkt und nicht auf die Digitaltechnik.

Die Idee eines Heftes mit losen Blättern, die auf einfache und effiziente Weise die Schweizer Architektur präsentieren, war in Pully im Kanton Waadt geboren. Diese übersichtliche Präsentation inspirierte auch eine Reihe unserer Verlagsfreunde, worüber wir heute sehr glücklich sind.

Vor der Ernennung von wichtigen Persönlichkeiten in den Ausschuss und dessen Entwicklung (Vincent Mangeat, Jacques Gubler, Jean-Marc Lamunière, Justus Dahinden, Fonso Boschetti) war Anthony Krafft der einzige, der die zu veröffentlichenden Projekte auswählte. AS entwickelte sich im Laufe der Zeit auf unabhängige Weise. Die diskrete Präsenz von Alberto Sartoris, Rino Tami, bei der Auswahl der Projekte möchte ich hier anerkennen.

Anthony wurde bald klar, dass die Vorstellung der Projekte allein nicht ausreichte und so gründete er im April 1980 die erste Rubrik von AS namens AS LIBRE.

„AS LIBRE soll eine kritische Kolumne sein, um die Bandbreite der Informationen zu erweitern“. Kolumnen, Gedanken über Architektur und Buchvorstellungen und dergleichen wurden hinzugefügt. Der erste Text wurde von Prof. Jacques Gubler verfaßt. (CF AS 41).

Mit der Zeit und der Leidenschaft für die Architektur kamen neue Rubriken zu AS LIBRE hinzu: AS INT über internationale Projekte, bei denen die Schweiz eine wichtige Rolle spielt, AS ING über Ingenieurprojekte, AS YOUNG über junge Büros und bis hin zur letzten Rubrik, die im Jahr 2021 ins Leben gerufen wurde: AS MUNDI über ein internationales Projekt. Eine Rubrik, die eine Brücke zu Architecture Formes + Fonctions schlägt.

AS bietet also eine Konstante: die Förderung und Dokumentation der Schweizer Architektur, aber auch der Künste. Dabei wird das gesamte Gebiet abgedeckt, wobei die Tendenzen und Sprachregionen möglichst gleichberechtigt berücksichtigt werden.

Weiter unten finden Sie vier erste Seiten aus verschiedenen Jahrzehnten. Alle diese Projekte und viele andere sind auf AS Encyclopaedia zu finden.

1991 verstarb Anthony Krafft auf tragische Weise. Die Schweizer Verlagswelt verlor eine ihrer Referenzen. Seine Frau, Maria Teresa Krafft Gloria, übernahm die Leitung des Projekts und gab ihm ihre eigene Note. Sie stellt neue Redakteure/Architekten ein, die wir hier begrüßen möchten (Sigfrido Lezzi, Lucienne di Biaise, Nicolas Lupu, Florence Auras), neue Rubriken, aber vor allem ein Ziel: sich als Frau zu behaupten und ein Familienprojekt mit Würde zu vertreten und gleichzeitig die Schweizer Architektur als unabhängiger Akteur zu fördern. Dies gelang ihr mit Erfolg 24 Jahre lang.

Im Jahr 2015 übernahm ich schliesslich die Leitung von AS, mit der unschätzbaren Hilfe von vielen Architekten und Professoren. Mir 

war die Notwendigkeit bewusst, die Form, nicht aber die Funktion der Zeitschrift zu ändern.

Die Mission bleibt bis heute die gleiche: zu dokumentieren. Mit einer Vinylplatte, die im Wohnzimmer läuft, und einem Bücherregal gefüllt mit interessanten Büchern und Zeitschriften (unsere eigenen, aber auch der ausgezeichneten Arbeit von Quart, Espazium und Werk) kann ich die Bedeutung des Objekts und die Wichtigkeit solider Referenzen in unserer virtuellen Welt, die der Zeit oder besser der Nicht-Zeit zum Opfer gefallen ist, immerzu bekräftigen. Wir sind Materie. Die Architektur braucht Materie. Es ist ihre Grundlage. Die Papierpresse stirbt, aber nicht das Verlangen nach Materie – nach Realem.

Ich glaube daher fest an die Bedeutung eines Mediums von hoher redaktioneller Qualität. Ich halte es auch für wichtig, dass wir versuchen, uns die Zeit zu nehmen, die wir als Menschen brauchen, um zu reflektieren, zu studieren und vielleicht den Hang zum schnellen „Kopieren & Einfügen“ zu vermeiden oder zu überdenken.

Trotz des harten internationalen Wettbewerbs angesichts des kostenlosen Informationüberflusses im Internet, gebe ich nicht auf. Ich schätze es sehr, junge Büros, kleinere Projekte, aber auch eine Auswahl der Elite und internationale Projekte in Druckform zu veröffentlichen, die glücklich und sogar stolz darauf sind, in der Schweiz in einem Printmedium veröffentlicht zu werden, das im Gegensatz zu einer Instagram-Mitteilung Bestand hat.

Ich möchte im Anschluss etwas tiefer auf die Tätigkeit von AS und seine redaktionellen Entscheidungen eingehen. Die Schweizer Architekturproduktion ist beeindruckend. Dabei ist es unmöglich und auch nicht unsere Absicht, alles zu veröffentlichen. Wir müssen also eine Auswahl treffen, was in den 70er und 80er Jahren noch relativ einfach erschien, heute jedoch etwas komplexer ist. Wie also gehen wir vor? Wir tauschen uns aus und beobachten die Schweizer Bauszene von Nahem, treffen schliesslich eine feine Auswahl an Projekten, die nach unserem Empfinden aufrichtig und repräsentativ für ihre Zeit sind. Wir können uns glücklich schätzen von einem Kreis brillanter Persönlichkeiten umgeben zu sein – dem Komitee –, welches die Förderung der Architektur als Ganzes im Sinne hat.

Das AS-Komitee ist ein diskretes, aber für einige von ihnen sehr präsentes Komitee. Jeder vertritt einen geografischen Bereich oder ein dominierendes Wissensfeld. Ich rufe diese Wissensträger je nach meinen Recherchen auf und die Projekte werden nahezu anonym ausgewählt. Keine Berühmtheiten und Headliner. Als Ganzes betrachtet, zeigt uns AS die allgemeine Situation gut auf und bietet uns ein Panorama des Bauwesens. Ohne große Kumpanei.

Die Auswahl wird dann auf verschiedene Weise veröffentlicht: Wir geben in der Regel eine Themenausgabe pro Jahr heraus, die dem gewählten Thema den gesamten Raum widmet. Seit zwei Jahren bieten wir in der Reihe „Diario“ auch eine Architekturreise, dessen Reisen nach Brasilien und Italien uns die Verbindungen und die Zusammenarbeit mit diesen Ländern und die Bedeutung des Austauschs von Kompetenzen sowie der konstruktiven Globalisierung verdeutlicht. Eine klassische AS-Ausgabe besteht aus einem Dutzend Realisierungen aus dem ganzen Land mit unterschiedlichsten Gebäudetypen (Schule, Einfamilienhaus usw.). Abwechselnd begleitet von Artikeln über Künstler, von Kritikern oder einem Profil.

Ich möchte an dieser Stelle die Arbeit des AS-Teams hervorheben: Eliane Rodel, Projektauswahl, Architektin, Christophe Lietz, Übersetzung, Architekt, Maria de Gibert, Grafikdesign, Lucia Caro, französisches Lektorat und Laura von Hagen, Redakteurin Design und Kultur und Übersetzung der freien Rubriken. Auch danke ich allen Mitgliedern des Komitees, das Werke, Projekte und Leistungen anregt, vorschlägt und manchmal auch kritisiert.

Im Jahr 2020 haben wir dank der unschätzbaren Hilfe von Dr. Salvatore Aprea vom Archiv für moderne Baukunst der EPFL 8000 Seiten Architektur digitalisiert und referenziert, die allen unseren Abonnenten zugänglich sind. Die Plattform AS Encyclopaedia ist ein digitales Arbeitsmittel, das die einfache und gezielte Suche nach Projekten und Artikeln in 50 Jahren Schweizer Baugeschichte ermöglicht. Auf weitere 50 Jahre Bau-Zukunft.

Das ist AS. Ein unabhängiges Schweizer Verlagsprojekt, das zu einem 2.0-Hybrid avancierte, welches die Zeit überdauert und die helvetische und internationale Architektur und Kunst so präsentiert, wie sie ist, war und sein wird.

Frederic Krafft-Gloria