Architecture Suisse

EDITO

Edito

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BERTRAND GABIOUD, WWW.BERTRANDGABIOUD.CH

Eine Ressource unter Druck 

Seit Beginn der menschlichen Besiedlung hat sich die ambivalente Konfrontation mit Wasser zu einem unumgänglichen Thema für die Akteure des Bauwesens erwiesen. Einerseits ist Wasser eine lebenswichtige Ressource, was die Nähe von Gebäuden zu Quellen, Wasserläufen oder Wasserflächen begünstigte. Andererseits stellt es gleichzeitig ein Risiko dar, dem vorzubeugen ist, etwa wenn es darum geht, sich vor Hochwasser zu schützen oder, in kleinerem Maßstab, eine Fassade oder ein Dach abzudichten. 

Von den römischen Aquädukten bis zu den alpinen Staudämmen kennt die Geschichte zahlreiche Beispiele für Infrastrukturen, die durch ihren Einfallsreichtum und ihre Eleganz bestechen. Von gewölbten Wasserspeichern bis hin zu Wasserkraftwerken sind zahlreiche Gebäude denkwürdige Zeugnisse der Moderne und ein fester Bestandteil unserer Baukultur. Von den Seebädern bis zu den Arteplages der Landesausstellung im Drei-Seen-Land offenbaren zahlreiche architektonische Errungenschaften den inspirierenden Charakter einer direkten Interaktion mit der Aquatik. Abgesehen von diesen symbolträchtigen Beispielen, die zeigen, dass Wasser eine echte Inspirationsquelle für die Architektur sein kann, ist es auch als bloßer Bestandteil des Bauprozesses allgegenwärtig. Seine reichliche Verwendung wird tendenziell eher banalisiert, ohne dass eine wirkliche Aufwertung angestrebt wird. 

In Zeiten des drängenden Klimaschutzes stellt die Wasserwirtschaft jedoch eine wachsende Herausforderung dar. Auch wenn die Schweiz ihren Status als „Wasserschloss Europas“ beibehält, bleibt Trinkwasser eine wertvolle Ressource, die nicht verschwendet werden darf. Zumal der Klimawandel die Gefahr von Hochwassern und Dürreperioden erhöht und damit den Druck auf die Wasserressourcen noch verschärft. Die Architektur ist von den daraus resultierenden Fragen nicht ausgenommen und sucht daher nach Lösungen für eine grössere Widerstandsfähigkeit gegenüber Risiken und für einen sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen. 

Durch einen Ansatz, der sich auf verschiedene Interventionsebenen bezieht – von Übergangsvierteln bis hin zu baulichen Details – steht das Bauvorhaben in einer dialektischen Beziehung zu den ökologischen Herausforderungen. Auf der einen Seite kann es – durch seine Aussagekraft – einen bedeutenden Beitrag zu den laufenden territorialen Veränderungen leisten, insbesondere zu jenen, die darauf abzielen, die wichtigsten Bedürfnisse der Gesellschaft mit geringen Ressourcen und Auswirkungen zu erfüllen. Auf der anderen Seite stellen diese Herausforderungen gleichzeitig einen echten „Rohstoff“ im konzeptionellen Sinne des Wortes dar, um einige der ihr innewohnenden Modalitäten zu überdenken. 

Auf der Ebene der städtischen Visionen umfasst die Neugestaltung von Standorten heute die Suche nach neuen Gleichgewichten und die Umsetzung von Interaktionen, die besser mit dem natürlichen Wasserkreislauf harmonieren, insbesondere durch die Vermehrung wasserdurchlässiger Flächen, die Schaffung fruchtbarer Geflechte oder die Neuerfindung von städtischen Ufern. Als unabdingbare Voraussetzung für die Begrünung wird diese Entwicklung wirklich entscheidend für die Anpassung der Städte an die globale Erwärmung. 

Bei Eingriffen in bestehende oder neu errichtete Gebäude kann die Integration von ökologischen Vorrichtungen die Rückhaltemöglichkeiten für Regenwasser vergrößern und gleichzeitig Rückgewinnungszyklen fördern, um den Bedarf an Trinkwasser zu reduzieren. Die vorrangige Verwendung von Trockenbau und Vorfertigung in der Produktionsstätte ermöglicht es darüber hinaus, den Wasserbedarf auf Baustellen zu reduzieren und die Erfindung neuer Bauweisen anzuregen, die gleichzeitig die Prinzipien der Sparsamkeit, der Effizienz, der Zirkularität und der Anpassungsfähigkeit einbeziehen. 

Emmanuel Rey 

Professor EPFL / Direktor des Laboratoriums für Architektur 

und nachhaltige Technologien / Teilhaber des Büros Bauart Architekten, 

Bern / Neuchâtel / Zürich 

Anmerkung der Redaktion 

Liebe Leserinnen und Leser von AS, 

Ich freue mich sehr, Ihnen diese Themenausgabe „h20“ vorstellen zu dürfen: Auf dem Wasser, unter dem Wasser, mit Wasser und dank Wasser geschaffen. 

Wir bieten keine Patentlösungen für die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind und sein werden. Wir haben Künstler, Ingenieure und Architekten ausgewählt, die in den hier vorgestellten Projekten das Wasser – den Grundstoff unseres Lebens – zu ehren und respektieren wissen. Es handelt sich um Projekte in der Schweiz, sowie eine Auswahl internationaler Projekte. 

Viele haben und werden über das Thema schreiben. Das aktive Nachdenken durch – dringend notwendiges – Handeln ist in Gang gekommen. An Ihnen und uns, Bauherren und Bürgern, liegt die Verantwortung, anders zu bauen und zu leben für die Welt von morgen, für unsere Kinder, für unsere Zivilisation. 

Ein besonderer Dank gilt den vielen brillanten Menschen, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben. 

Emmanuel Rey, Ariane Wavre und Martine Laprise, Patrick Moser, Salvatore Aprea, Barbara Tirone, Tiffanie Paré, Nicola Navone, Jachen Könz, Ziu Bruckmann & Daniel Weiss, Antonio Gallina und Jean-Claude Frund, Marie Griesmar, Georges Steinmann, Diana Lelonek, Charles von Buren, Giordano Tironi, Sébastien Meylan, Ben Thouard, Cornelia Schwierz, Simon Scherrer, Tullia Iori, Luciano Cardellicchio, Yves Bach & Floriane Guex, Vincent Jendly, Philippe Weissbrodt, Michel Bonvin, Daisuke Hirabayashi, Ruedi Walti, Freia Vergauwen, Oriana Venti, Alain Porta, Enrico Sassi, Ueli Brauen & Doris Wälchli, Séverine Moser, Yves Dreier, das Büro Ingeni, Gex & Dorthe ingénieurs und Marie Vilardi, mit ihrem fantastischen Titelbild für diese Ausgabe: „Terre-Mer (Mumbai 3)“, 2016, Bleistift und Aquarell auf Papier, 56 x 76 cm, Foto: C.Cortinovis. www.marie.velardi.ch