Architecture Suisse

Sehr geehrter Herr Krafft

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Dank des noch brauchbaren Zustands des Holzwerks von Dach und Riegwänden war ich nicht vor die Aufgabe gestellt, die ursprüngliche Erscheinungsform des Hauses, insbesondere seines Daches, reproduzieren zu müssen, um baurechtlichen und denkmalschützerischen Vorschriften bloss zu genügen. Zum Glück! - Denn wäre ich dazu gezwungen gewesen, so hätte ich eine frühere Architekturform nur imitieren, aber nicht auf die Handwerkskunst, die sie hervorgebracht hatte, zurückgreifen können. Vorschriften, die als Paragraphen einer Bauordnung oder als unreflektierte Vorurteile beim Projektieren die « Imitation » historischer Architekturformen zum zwingenden Gestaltungsprinzip erheben, sind mir ein Greuel. - Verleiten uns Imitationen nicht zum Glauben, dass wir uns mit architektonischen Ausdrucksformen unserer eigenen Gegenwart echt nicht auseinanderzusetzen hätten? - Sind Imitationen nicht einfach Kitsch? - Ich bestreite nicht, dass Dinge des Kitsch zum Schmuck des Alltags gehören, als eine Art von Gewürz für Herz und Gemüt Geltung haben. Diese Dinge kann ich selber schätzen, wenn sie als Darstellungsmittel von Witz und Selbstironie verwendet und in dieser Absicht gebaut auch erkennbar werden. Bei Projekt für den Umbau bin ich zum Einen von den gegebenen Merkmalen der Dachform, von ihrer Geometrie und Massordnung, ausgegangen. Zum Andern habe ich die Absicht verfolgt, den Raum unter dem Dach und den Dachstuhl selbst als Ganzheiten im Innern des Hauses, trotz notwendiger Ein- und Anbauten, • wahrnéhmbar zu erhalten. Diese Absicht ist aus dem Willen erwachsen, alte und neue Gebäudeteile müssten in ihrer Eigenständigkeit und zugleich in Form ihrer Verknüpfung dargestellt werden. — Ich meine, dass ein Dialog durch den Gedankenaustausch gleichberechtigter, in ähnlicher Sprache zueinander redender Partner entsteht. Das Zusammenspiel von Alt und Neu hat für mich derselben Regel zu gehorchen. - Nun wurde die Anordnung der Ein- und Ausbauten beim Haus im Altenberg von der Geometrie des Daches diktiert; der Grundriss des Obergeschosses ist senkrecht zum First dreiteilig - analog zur früheren Raumaufteilung ; die symmetrische Anlage des Ganzen wird durch untergeordnete Einzelheiten - Öffnungen, Lichtquellen, Möbel, Farben — an bestimmten Stellen bewusst gebrochen. Die zweigeschossige Öffnung des Raumes und der Anbau auf der Rückseite des Hauses gaben mir die Gelegenheit, die « Ründi» als Thema - sozusagen im Umkehrung - aufzugreifen. Die traditionnelle « Ründi» ist eine Aussenform. Sie gehört zum Gesicht des Hauses und prägt, in der Regel, den Charakter des Inenraumes nicht. Durch die Übernahme der «Ründi» beim rückseitigen Anbau habe ich, in Anspielung auf die Aussenfassade, eine Frontfassade für den Innenraum und gleichzeitig eine Apsis zur einschiffigen Wohnhalle gemacht. Der von Aussen gesehene, tonnenartige Anbau ist wie die Füllung einer Aussenwandöffnung behandelt und trägt dieselbe Farbe wie Holzgewände und -gesimse der strassenseitigen Frontfassade. Für das Sgrafitto, ebenso ein historisches Dokument dieser Fassade wie die «Ründi», versuchte ich aber, andere Überlegungen zu verwirklichen.. Vor dem Sgraffito stehe ich respektvoll, doch auf Distanz, wie vor einem Witz aus vergangener Zeit. Deshalb mögen die Eckausbildungën der renovierten, traufseitigen Lauben auch papierig wirken. Die Strassenfassade ist ' Zeichen für ein Bild, das ich nicht ernst nehmen kann - eine Figurine wie diejenige von Epinal. Beim Thema «Umbau» versuche ich, der Frage nachzugehen: Was kann ich von der gegebenen, alten Bausubstanz eines Hauses für meine heutigen Zwecke und Absichten sinnvoll brauchen? Welche Gegebenheiten sollen meinen Gestaltungsspielraum einschränken? Wie lassen sich alte, stehengelassene Bruchstücke eines früheren architektonischen Ganzen zu einem andern Ganzen ordnen? - Ich bin nicht-der Meinung, dass wir aus Fortschrittsdünkel a priori alte Bausubstanz abbrechen oder aus Sentimentalität a priori irgend einen belegbaren, historischen Bauzustand erhalten, ja reproduzieren sollen. Doch bin ich überzeugt, dass wir uns mit den vorhandenen, früher gebauten Gütern ernsthaft auseinander zu setzen haben. «Was"will ein Haus werden», wenn ich diesen und jenen Teil daraus entferne und durch einen Neuen ersetze? — Der neue Teil soll ruhig den Stempel meiner Hand, meiner eigenen Gegenwart und Wirklichkeit tragen. Alte und neue Teile sollen miteinander verwoben sein, einen Dialog miteinander führen. - Ich denke, dass nur solcherart Werterhaltung zustande kommen kann. Werterhaltung muss doch von der gleichzeitigen Wertschätzung von Vergangenheit und von Gegenwart getragen werden.

Es gibt viele Gründe dafür, dass das Umbauen von Häusern, von Stadt- und Landschaftsteilen die Hauptaufgabe unserer Generation weiter werden und bleiben wird. Wir haben erst begonnen, uns über vernünftige Grundsätze für die Praxis des Umbauens Gedanken zu machen. Doch mit Sicherheit können wir annehmen, dass das Überliefern von geschichtlicher Architektur durch Leugnen eigener Gegenwartsarchitektur nicht gelingen wird. Wo blieben da die Spuren von Geschichte für spätere Generationen, die ebenfalls umbauen wollen, zurück?