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Die Restaurierung der Pfarrhäuser im Waadtland

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Die Pfarrhäuser, ein einmaliges Erbe einer Epoche unserer Geschichte, haben die Gestalt unseres Landes beeinflusst. Eines von zwei oder drei waadtländischen Dörfern besitzt ein solches Gebäude, das bedeutend ist, von Qualität und viel reicher als das Bauernhaus oder das einfache Wohnhaus, jedoch bescheidener als eine Herrschaftsvilla oder die kleinen Schlösser aus der gleichen Zeit. Der«Pfarrherr», der den neuen Glauben verbreitete, musste einen Wohnsitz haben, der den Platz seiner Kirche in der Gesellschaft symbolisierte.

Die stattlichen, grosszügigen und die Gemeindeglieder zum Empfang einladenden Pfarrhäuser vermieden römischen Prunk oder extreme klösterliche Kargheit, die mit einer Religion, die das Individuum und seinen persönlichen Erfolg begünstigte, unvereinbar gewesen wären. Die Pfarrhäuser, die oft von den Exzellenzen gebaut oder unterstützt wurden, mussten auch deren sichere, solide, grosszügige aber ökonomische Führung symbolisieren. Die Kirche baute, damit diese von Dauer sei; sie baute auf den Felsen, wie es das Evangelium will. Ähnlich den Tempeln, die im Zentrum des Marktfleckens oder etwas abseits auf dem gleichen Hügel standen, verleihen die Pfarrhäuser mit den Kirchen zusammen den Ortschaften oft ihre typische Silhouette. Der Graveur Weibel vereinigte sie in seinen Darstellungen, indem er manchmal denjenigen Standpunkt suchte, der diese Anordnung auf dem gleichen Bild ermöglichte. Die Schulen kamen - mit dem zweiten Kirchturm des Dorfes-erst viel später! Das Pfarrhaus als Wohnsitz des Pfarrers signalisierte, dass das Dorf das Zentrum der Gemeinde, ein kleiner Hauptort war, auch wenn die andern Dörfer ebenfalls über einen Kultort verfügten. Auf sein Pfarrhaus, das die andern nicht hatten, war man stolz. Die seit der Unabhängigkeit des Kantons Waadt grün-weissen Fènsterladen verstärkten seinen besonderen Charakter noch. An den Kantonsgrenzen, dort, wo der Grenzverlauf manchmal ziemlich kompliziert ist, zeigte es an, dass man sich im Kanton Waadt befand. Dieser bemerkenswerte Bestand stellt in der Schweiz, ja sogar in Europa, ein aussergewöhnliches Gut dpr; der Kanton muss es für die kommenden Generationen schützen und erhalten. Die Anstrengung lohnt sich, wir müssen uns dieses Erbes als würdig erweisen. Bedeutende Summen, die wir dafür allenfalls aufwenden müssen, sind im Vergleich zum Wert dessen, was erhalten werden muss, lächerlich klein. Den Waadtländern von gestern und morgen sind wirdas schuldig. Marcel Blanc. Vorsteher des Baudepartements

Die Pfarrhäuser stellen ein Kapitel ausserhalb des Bauteninventars des Kantons Waadt dar. Sie bilden einen bemerkenswerten Bestand von 155 Gebäuden, alle mit dergleichen Funktion und in der Zeit vom 15. Jahrhundert bis heute erstellt. Die Berner Periode ist besonders gut vertreten, denn die Pfarrhäuser spielten eine symbolische Rolle, die die neue Macht und die neue Religion in unseren Stäbchen und Dörfern bekräftigte.

Die Qualität dieser Bauten zeigt sich deutlich in den Ergebnissen eines Inventars, das nach der Methode der Architektur-Bestandsaufnahme des Kantons erstellt wurde und die Gebäude nach folgenderTabelle unterteilt:

von nationaler Bedeutung von regionaler Bedeutung von lokaler Bedeutung interessant in seiner Umgebung nicht ohne Interesse ohne besondere Qualität beeinträchtigt den Ort

Das Interesse an dieser Reihe von Häusern verpflichtet diejenigen, die die Restaurierung ausführen, sich für die Studien, analysen und Massnahmen Techniken anzueignen, die der Wichtigkeit des Gegenstands entsprechen. Mit den Jahren hat sich eine Methodik der Annäherung entwickelt; jedes Pfarrhaus ist Gegenstand von Recherchen in den Archiven, allgemeinen Aufstellungen und Details, archäologischen Analysen, Prüfungen von Verkleidungen, Anstrichen usw. Der Architekt, der die Restaurierung durchführt, kann aüf diese Weise seine t-

Entscheidungen aufgrund der objektiven Materialen fällen. Jedes Gebäude vermittelt neue Daten, die sich, nach und nach vermehren; allgemeine Merkmale beginnen sich abzuzeichnen. Eines Tages werden sir Stoff für Nachforschungen in der Kunstgerschichte oder anderen Disziplinen bieten. Die Kontinuität des Bautendienstes garantiert bei der Behandlung dieses grossen Bestandes, den 155 Pfarrhäuser darstellen, ein gewisses Gleichziehen. Aber auf die Dauer enthält sie auch den Keim zum Repetitiven; die Bewilligung von Aufträgen an private Architekten gleicht diese Tendenz durch neue Ideen und andere Sehweisen aus. Büros, die auf diesem Gebiet wenig erfahren sind, sammeln ausserdem durch die Unterstützung von seiten des Dienstes Erfahrungen, die ihnen auf anderen Baustellen wieder zugute kommen. Die ergänzende Funktion ist offensichtlich. Der Bautendienst'bemüht sich, die vom ICOMOS und insbesondere von der internationalen Charta der Denkmal- und Ortspflege (Venedig 1964) empfohlenen Prinzipien der Restaurierung zu beachten. Von mehreren Verfahrensregeln erwähnen wir hier den Respekt vor dem Bestand jeder Epoche. Trotz Integrierung müssen die Spuren von heute sichtbar sein. Die Restaurierung wird auf diese Weise ein schöpferischer Akt, eine unerlässliche Vorausstetzung für die Schönheit der Architektur. Jean-Pierre Dresco, Kantonsbaumeister