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Das Reglement und die architektonische Erscheinung

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«Keine Probleme mehr mit all diesen Architekten. In Zukunft werden sie den Vorschriften Punkt für Punkt folgen müssen. »

Das Reglement und die architektonische Erscheinung Thierry Baechtold, Juan Menendez, Franco Teodori Vorwort In Europa wird der Gestaltungsspielraum des Architekten je länger, je mehr eingeschränkt. Regiemente der Baupolizei und Bauvorschriften zwängen die Phantasie in einen «Karree-Raster», so dass von ihr nur noch einige rudimentäre Regungen übrigbleiben. Dieses Phänomen ist gefährlich: Da der Architektenberuf in Gesetzesartikel oder Berufsvorschriften - als Versuch zu einer mechanischen Denkweise - zerlegt ist, wird er von aussen auch als eine Routinearbeit wahrgenommen. Eine solche Architektur wäre indessen unnütz, ja sogar teuer. Die grossen Meister unsererZeit haben uns dagegen etwas anderes gezeigt: Der Weg, den sie beschritten, hat deutlich gemacht, in welchem Masse ihre Botschaft zu einer harten Kritik an fehlender Geistesarbeit, herkömmlicher Wiederholung und fehlender Originalität beim Bauen wurde. Je länger, je mehr definiert das detaillierte, Formen und Materialien beschränkende Reglement vor allem das, was nicht erlaubt ist. Denn, schriebe es vor, was zu tun sei, zeigte es sich dann nicht auf zu brutale Weise als das, was es wirklich ist, nämlich eine offensichtliche Attacke gegen die Freiheit im künstlerischen Ausdruck? Thierry Baechtold, Juan Menendez und Franco Teodori sind Studenten der Architektur. Sie haben viel Mut und Scharfsicht bewiesen, indem sie es wagten, ein wichtiges Problem aufzuwerfen. Dieses besteht darin, dass das vom Lehrkörper verlangte hohe Niveau beim Entwerfen und die immer weiter verbreitete obligate konzeptuelle Misere in der Berufspraxis auseinanderklaffen. Möge die Warnung, die von ihnen und anderen ausgeht, gehört werden, damit man im Recht diesbezüglich ein wenig zur Einsicht kommt und die Freiheit des Profits nicht mit der Gestaltungsfreiheit verwechselt wird. Wenn erstere schon deshalb geregelt werden muss, weil sie objektiv ist, sollte man erkennen, dass die Gestaltungs freiheit den Keim zum Fortschritt enthält, und sich darum bemühen, Fachleute auszubilden, die damit umgehen können, anstatt die Qualität des Konzepts zugunsten irgendjemandes zu vermindern. Bei diesem Phänomen ist der Nutzer der erste Geschädigte: Kaum dass er ein Gebäude erstellen lassen möchte, das das Ergebnis einer anspruchsvollen architektonischen Konzeption ist, wird er das Opfer seiner eigenen Gesetze. Die Redaktion von AS

Hinweis Aus Rücksicht denjenigen gegenüber, die uns in aller Offenheit Auskunft gegeben haben, unterlassen wir es grundsätzlich, bei Zitaten die Autoren oder andere Einzelheiten zu nennen. Die Ortsnamen wurden durch andere Bezeichnungen ersetzt.

Von der Architekturschule zum Praktikum in der Umgebung Nachdem man drei Jahre lang mit Theorien eingelullt worden ist, bei denen Kohärenz, Eingehen auf die Situation und Architektursprache mit Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Alvar Aalto oder anderen kombiniert wurden, ist das Praktikum ein grosser Schock. Zum ersten Mal sitzt der Praktikant vor einem leeren Blatt, mit dem Reglement der Baupolizei als Ratgeber. Zweifel kommen auf. Der Übergang von der Schule in die Realität hat uns zu dieser Arbeit motiviert. Das Ziel ist hier nicht eine manichäisch strenge Kritik an den Regiementen, sondern vor allem der Ausdruck unserer Zweifel, unserer Beunruhigung. Anstatt einen bestimmten praktischen oder administrativen Vorgang wie die Untersuchung oder Ausarbeitung eines Quartierplans zu analysieren, haben wir es vorgezogen, eine umfassende Analyse zu versuchen, um die Situation in der Architektur, die uns am Ende des Studiums erwartet, besser erfassen zu können. Dieses Vorgehen hat uns gezwungen, uns in eine Realität zu begeben, die letzten Endes sehr weit von den Ausnahmen entfernt ist, wie sie uns an der Schule dargelegt und auseinandergenommen worden waren. Wir wollten auch verstehen, wie es denn zur gegenwärtigen Situation gekommen ist, indem wir vor den ehrenwerten, wenn nicht notwendigen Prinzipien der Raumplanung ausgingen. Wo versteckt sich der Schuldige, wenn es überhaupt einen Schuldigen gibt? Zwei weitere Fragen haben uns ebenfalls zu dieser Arbeit motiviert: - Wie steht es mit den architektonisch-kulturellen Verhältnissen in der Umgebung, erzeugen sie Vorschriften, oder leiten sie sich von ihnen ab ? Kurz gesagt, wo ist das Ei, wo ist das Huhn ? - Welche Architektur in welcher Epoche ? Unsere Studie befasst sich vor allem mit den Regiementen, die die Ästhetik, die Harmonie und die Integration berühren. Sie ist in dieser Beziehung also nicht vollständig. Wir behandeln das Thema nicht nach einer chronologischen oder historischen Ordnung, sondern greifen punktuell einzelnes heraus (Zeitabschnitte der Regiemente), um zu verstehen und auf die heutige Situation zu sprechen zu kommen. Alle weitergehenden Ansichten und Urteile geben nur die Meinung der Autoren wieder, obwohl sie manchmal von gewissen Leuten aus der Verwaltung geteilt werden. Wir sind uns der Subjektivität in unserer Arbeit gegenüber der sogenannten Objektivität gewisser Regiemente durchaus bewusst. Wir unterscheiden einerseits zwischen der historisch mehr oder weniger erklärbaren Objektivität gewisser Artikel, die sich aus der Notwendigkeit der Raumplanung, der Bewegung für öffentliche Gesundheit und Hygiene Ende des 19. Jahrhunderts sowie Sicherheitsmassnahmen ableiten, und andererseits der offensichtlichen Subjektivität anderer Artikel, die sich auf die Ästhetik oder das Harmonieren mit der baulichen Umgebung beziehen. Es ist jedoch offenbar schwierig, hier die Grenze festzustellen, und man könnte darüber diskutieren. Das Beispiel mit der geschlossenen (oder offenen) Bauweise veranschaulicht das. - Aus objektiven Gründen wie etwa wegen der Hygiene (Recht auf Licht, Sicht und Luft) oder wegen des Brandschutzes ist die offene Bauweise wünschenswert. - Jedoch historisch gesehen ist der Weiler, und später das Dorf, dadurch entstanden, dass man meherere Gebäude oft direkt aneinanderfügte und sich so ein Ganzes mit Strassen und Plätzen bildete. Heute führt die offene Bauweise unweigerlich zu Problemen bezüglich des Aussenraums. Andererseits können mit der heutigen Technologie die Anforderungen an die Hygiene und den Brandschutz auf wirksame Weise erfüllt werden. Besonders aus diesen beiden Gründen erlauben wir uns im folgenden, unsere Zweifel an der offenen Bauweise anzumelden, obwohl wir oberflächlich gesehen solchen Artikeln eine gewisse Objektivität zuerkennen. Wenn wir von der heutigen Technologie sprechen, drängt sich für uns eine andere fundamentale Frage auf: - Ist die Entsprechung Technik - Epoche wünschenswert? Und, wenn ja, ist sie vollzogen ?

Eine Methode Es geht dabei um die Regiemente selbst und nicht um die Gemeinden. Die Wahl fiel aufgrund unserer Praktika auf drei Gemeinden (Le Puits, Etraz und Glarier), mit denen wir durch die Projekte Kontakt

hatten. Die vierte. Les Sablons, haben wir auf Empfehlung eines Spezialisten für Raumplanung gewählt. Sie bieten ausserdem mindestens zwei Vorteile: Sie liegen alle in einem bestimmten Gebiet und vermitteln davon vor allem ein repräsentatives Bild, sei es auf geographischer, sozio-ökonomischer, orographischer oder urbanistischer Ebene. Gewählte Gemeinden ÉTRAZ: Vorortsgemeinde in einer Agglomeration von ungefähr 40000 Einwohnern, am Rande von Weinbergen, langgestrecktes Gebiet längs eines Tals, zwei Regiemente (1970,1985). LES SABLONS: Bevölkerungsreiches Wohngebiet in unmittelbarer Nähe einer grossen Stadt, flaches Gelände, grosse Einfamilienhauszone, ohne jede Industriezone, zwei Regiemente (1960,1975). LE PUITS: Nachbargemeinde von Etraz, Wohngebiet, grosse Einfamilienhauszone, steiles und ausgedehntes Gebiet, vier Regiemente (1960,1970,1975,1980). GLARIER: mittelgrosse Stadt am Ufer eines Sees, guterhaltene Altstadt, sehr charakteristisch für die Region, fünf Regiemente (1910,1935,1960,1970, neue Fassung in Vorbereitung). Diese Verschiedenheiten ermöglichen es, die unterschiedlichen Flaltungen aufzuzeigen, die in den Regiementen zum Ausdruck kommen, wobei es um diejenigen Regiemente geht, die die Integration in die gebaute und natürliche Umgebung betreffen. Drei Vorgehensweisen Für diese vier Gemeinden wurden drei verschiedene Vorgehensweisen gewählt: - Analyse der gegenwärtigen und früheren Regiemente, die uns von den vier Gemeinden zur Verfügung gestellt wurden. - Die Arbeit vor Ort, zu der Gespräche mit Vertretern der Gemeinde oder spontane Fragen anlässlich von Besichtigungen der Gemeindegebiete gehörten. Diesbezüglich haben wir auch andere Gemeinde in der Region besucht. - Gespräche mit Personen, die ausserhalb der Gemeinden ebenfalls am Thema beteiligt sind, wie Architekten, Verantwortliche der Raumplanung oder eine Historikerin. Gewiss, jeder Teil dieser Arbeit hätte Stoff für eine eigene Abhandlung geliefert; aber wir haben es vorgezogen, das Thema allgemein und umfassender zu behandeln, vor allem mit dem Ziel, eine erste, allgemeine Sicht der Dinge zu erhalten. Analyse der Regiemente Objektive Regiemente Eine Textanalyse der Regiemente stellt eine ziemlich schwierige Aufgabe dar, wenn es dabei um das Erscheinungsbild geht. Es ist offensichtlich, dass jeder Artikel eines Reglements ein Gebiet und damit auch dessen Wahrnehmung durch den Menschen beeinflusst. Wie in der Einleitung erwähnt, haben wir indessen versucht, diese Artikel nach ihrer für uns erkennbaren Objektivität bzw. Subjektivität zu gliedern. Daraus ergeben sich drei Gruppen: 1. Artikel, die wir sowohl in der Formulierung wie auch in der Anwendung als objektiv betrachten. Gemeinde Etraz, geltendes Reglement: Art. (...) «Die Landwirtschaftszone ist Nutzungen im Zusammenhang mit Ackerbau und Viehzucht Vorbehalten. » 2. Artikel, die wir in der Formulierung für subjektiv, in der Anwendung jedoch für objektiv halten. Das heisst, dass es nach Inkrafttreten eines solchen Artikels bei der Anwendung keine andere Überlegungen mehr gibt. Gemeinde Etraz, geltendes Reglement: Art. (...) «Die Dachneigung soll im Bereich zwischen 30% und 100% Hegen. In der Dorfzone beträgt sie 60% oder mehr. Ausserhalb der Industrie- und Gewerbezonen sind nur Satteldächer oder Dächer mit mehreren Dachflächen gestattet. Bei Satteldächern muss die kleinere Dachfläche mindestens halb so gross wie die andere sein. » 3. Artikel, die wir in der Formulierung wie in der Anwendung für rein subjektiv halten. Gemeinde Etraz, geltendes Reglement: Art.f...) «Die Gebäude müssen sich in Form, Volumen, Fassadengestaltung (Rhythmus, Fenster- und Türöffnungen, Farben) und Dachform in ihre bauliche Umgebung einfügen und mit ihr ein homogenes Ganzes bilden. » Diese Aufteilung gilt natürlich nicht absolut; bestimmte Artikel wie der Art. (...) des geltenden Reglements der Gemeinde Etraz lassen sich gleichzeitig zwei Definitionen zuordnen, das heisst den Definitionen «subjektiv/objektiv» und «subjektiv/subjektiv», das hängt von verschiedenen Abschnitten ab. 77.111

Art. (...) «Dies Dacheindeckung besteht entweder aus Ton-, Faserzement- oder Betonziegeln, Farbe wie Tonziegel natur. In der Dorfzone sind die ortsüblichen Flachziegel obligatorisch. Ein Material odereine Farbe, die dem Ortsbild abträglich ist, kann vom Gemeinderat abgelehnt werden. » Die relative Zuverlässigkeit - oder auch Objektivität - dieser Einteilung kann ja dadurch wieder in Frage gestellt werden, dass ein Teil der Bevölkerung das Flachdach einfach deshalb ablehnt, weil dieses objektiv gesehen hässlich und unpassend sei. Im Gegensatz dazu sind wir der Ansicht, dass ein anderes als das herkömmliche Satteldach, zum Beispiel ein Terrassen-Flachdach, in einem Dorf möglich, sogar interessant sein kann. In diesem Zusammenhang möchten wir daran erinnern, dass uns sämtliche Studien an der Architekturschule dazu bewegen, der Gedanken- und analytischen Arbeit grosse Bedeutung beizumessen und dass das Flachdach in den Arbeiten nicht verpönt ist. Übrigens möchten wir darauf hinweisen, dass das Flachdach in den Regiementen von 1935 und 1960 sowie im geltenden Reglement von Glarier möglich ist. Diese Differenzierung sowie die nachfolgende Untersuchung des Vokabulars in den Regiementen sollten uns ermöglichen, unsere Malaise ein wenig besser wahrzunehmen und uns darüber Gedanken zu machen. Die folgende Zusammenfassung gibt den arithmetischen Teil unserer Analyse wieder. Einige Zahlen Gemeinde Les Sablons Gegenstand unserer Studie waren zwei Regiemente. Wir sprachen mit einem Gemeinderat. - Reglement von 1960 3 Zonen, ca. 35 Artikel, davon 7 von besonderem Interesse: 4 sind subjektiv/objektiv, 3 sind subjektiv/subjektiv. - Reglement von 1980 (geltendes Reglement) 7 Zonen, ca. 70 Artikel, davon 23 von besonderem Interesse: 14 sind subjektiv/objektiv, 9 sind subjektiv/subjektiv. Veränderung der Artikel zwischen 1960 und 1980 Die Gesamtzahl der Artikel erhöht sich um 102%, die Zahl der Artikel betr. Ästhetik um 228,5%. Die Artikel betr. Ästhetik stellten 1960 einen Anteil von 19,4% an der Gesamtzahl der Artikel dar, 1980 (geltendes Reglement) waren es 31,5%. Gemeinde Etraz Gegenstand unserer Studie waren zwei Regiemente. Wir sprachen mit dem Gemeindeschreiber. - Reglement von 19 70 6Zonen, ca. 70Artikel, davon 14 von besonderem Interesse: 4 sind subjektiv/objektiv, 10 sind subjektiv/subjektiv.

Zunahme derArtikel von 1968 bis 1985 Die Gesamtzahl der Artikel erhöht sich um 41,4%, die Zahl der Artikel betr. Ästhetik um 42,8%. Die Artikel betr. Ästhetik stellten 1968 einen Anteil von 20% an der Gesamtzahl der Artikel dar, 1985 (geltendes Reglement) waren es 20,2%.

Gemeinde Glarier Gegenstand unserer Studie waren fünf Regiemente. Wir sprachen mit Hr. Z„ Gemeinderat.

- Reglement von 1910 Kein Zonenplan, über 130 Artikel, davon 3 sehr unbestimmt abgefasste Artikel betr. Ästhetik: Sie sind subjektiv/objektiv.

Vergleich zwischen den Regiementen von 1910 und denjenigen der 70erJahre Die Gesamtzahl der Artikel erhöht sich um 19,8%, die Zahl der Artikel betr. Ästhetik um 633%. Die Artikel betr. Ästhetik stellten 1909 einen Anteil von 2,3% an der Gesamtzahl der Artikel dar, 1970 (geltendes Reglement) waren es 14,1 %. Da das erste Reglement von Glarier schon sehr alt ist (die Städte haben als erste Regiemente herausgegeben), haben wir auch einen Vergleich zwischen dem Reglement von 1960 und dem neuen Entwurf aufgestellt, der demnächst in Kraft treten soll (nach der Abstimmung). Wir wollen damit einen aussagekräftigen Vergleich mit den anderen Resultaten ermöglichen.

Zunahme derArtikel von 1960 bis zur bevorstehenden Neufassung Die Gesamtzahl der Artikel verringert sich um 20,8%, die Zahl der Artikel betr. Ästhetik erhöht sich um 73,3%. Die Artikel betr. Ästhetik stellten 1960 einen Anteil von 8,02 % an der Gesamtzahl der Artikel dar, nach Annahme des neuen Reglements werden es 17,58% sein. Gemeinde Le Puits Gegenstand unserer Studie waren vier Regiemente. Wir sprachen mit dem Gemeindeschreiber, Hr. K. - Reglement der 60er Jahre 6 Zonen, ca. 70 Artikel, davon 14 von besonderem Interesse: 7 sind subjektiv/objektiv, 7 sind subjektiv/subjektiv. - Reglement von 1970 1 Zonen, ca. 70 Artikel, davon 15 von besonderem Interesse: 8 sind subjektiv/objektiv, 7 sind subjektiv/subjektiv. - Reglement von 1975 8 Zonen, ca. 80 Artikel, davon 15 von besonderem Interesse: 8 sind subjektiv/objektiv, 7 sind subjektiv/subjektiv. - Reglement der80er Jahre (gehendes Reglement) 10Zonen, 90 Artikel, davon 21 von besonderem Interesse: 11 sind subjektiv/objektiv, 10 sind subjektiv/subjektiv. Zunahme der Artikel von 1960 bis in die 80er Jahre Die Gesamtzahl der Artikel erhöht sich um 34,3%, die Zahl der Artikel betr. Ästhetik um 50%. Die Artikel betr. Ästhetik stellten 1962 einen Anteil von 20,9% an der Gesamtzahl der Artikel dar, 1983 (geltendes Reglement) waren es 23,33%. Aufgrund obiger Zahlen lässt sich sofort feststellen, dass sich die Zahl derjenigen Artikel schneller erhöht hat, die wir als subjektiv bezeichnet haben, die sich also im Vergleich zu den sogenannten objektiven Artikeln auf das «Aussehen» und auf die ästhetische Wahrnehmung eines Gebietes beziehen. Wir stellen sogar die Behauptung auf, dass die Diskrepanz zwischen den beiden Typen von Artikeln in Wirklichkeit viel grösser ist, als sie in den Zahlen zum Ausdruck kommt. In derTat, wenn man sich mit einem Artikel gründlich auseinandersetzt, stellt man fest, wo er präzise ist und wo er zu mehreren Abschnitten aufgeblasen wird. Nehmen wir die Gemeinde Etraz. Reglement von 1970 Art. (...) «Neu- und Umbauten müssen mit den bestehenden Gebäuden harmonieren, insbesondere in der Form, den Abmessungen und den Farben. » Reglement von 1985 (zurZeit in Kraft) Art. (...) «Die Gebäude müssen sich in Form, Volumen, Fassadengestaltung (Rhythmus, Fenster- und Türöffnungen, Farben) und Dachform in ihre bauliche Umgebung ein fügen und mit ihr ein homogenes Ganzes bilden. » Dieses Beispiel bleibt indessen eines von denen, die am wenigsten zitiert werden. Man kann in diesem Zusammenhang den Fall aus dem Reglement der Gemeinde Les Sablons nehmen, der eine «Perle» auf diesem Gebiet darstellt: Reglement der Gemeinde Les Sablons (1960) Art. (...) «In der Dorfzone müssen Neu- oder Umbauten im Stil möglichst dem Rest des Dorfes angepasst werden. » Man hat es zustande gebracht, aus diesem einen Artikel, der 1960 der einzige in bezug auf die Ästhetik der«Dorfzone» war, im geltenden Reglement sieben neue zu machen. Vorsichtshalber präzisiert der Gemeinderat an anderer Stelle noch : rr... Neu- und Umbauten müssen mit den bestehenden Gebäuden harmonieren, insbesondere in der Form, den Abmessungen und den Farben sowie den Konstruktionsdetails. »

Tatsächlich zieht diese Einschränkung des Handlungsspielraums des Architekten Folgen nach sich, die noch bedeutender sein können. Sie bestehen darin, dass dem Bürger die Möglichkeit gegeben wird, nicht über die Architektur nachzudenken, sondern zu «verstehen», was richtig und was falsch ist. Daraus ergibt sich eine zunehmende Beeinflussung durch das Modell der Nachahmung, das jeweils an die Regiemente angepasst werden kann. Vokabular Ein anderes mögliches Vorgehen bestand darin, das spezifische Vokabular der Regiemente zu untersuchen. Die Wahl der Ausdrücke für die folgenden Tabellen und Beispiele mag wiederum als subjektiv erscheinen, aber sie illustrieren unserer Ansicht nach sehr gut die inhaltliche Entwicklung der Regiemente. Wir können hier unser Vorgehen mit zwei Beispielen untermauern. Das erste betrifft das Pflanzen von Baumen in Industriezonen: Gemeinde Glarier, Reglement von 1960 Art. (...) «Der Gemeinderat kann vom Eigentümer verlangen, entlang von Strassen auf einer Breite von mindestens 1 m Bäume, Sträucher oder Hecken zu pflanzen. » Gemeinde Glarier, Reglement von 1979 (Art....) Gemeinde Le Puits, Reglement von 1975 (Art....) «Der Gemeinderat kann vorschreiben» auf Grundstücken mit Industriebauten entlang von öffentlichen Verkehrswegen und Grenzen zu benachbarten Grundstücken Bäume oder Hecken als Schutzgürtel zu pflanzen und Grünanlagen zu unterhalten (...). Der Gemeinderat legt die Bepflanzungsart von Fall zu Fall fest. » Und schliesslich: Gemeinde Le Puits, Reglement von 1980 Art. (...) «Nach Fertigstellung des Gebäudes ist die Bepflanzung der Grundstücke mit Bäumen obligatorisch (...). Der Gemeinderat legt Menge, Ort und Art der Bepflanzung fest. Grundsätzlich werden auf 25% der freien Grundstücksfläche Rasen gesät und Bäume gepflanzt. » Wir können sofort zwei Dinge feststellen : - Erstens, die nuancenreiche Entwicklung der Sprache, den historischen Übergang von «kann verlangen»zu«kann vorschreiben», danach von «kann vorschreiben» zu «ist obligatorisch». Das zeigt den immer grösser werdenden Machtanspruch der Gemeinde auf. Die Meinung des Architekten verliert hier jeden legalen Wert. - Zweitens, wahrend in Glarier 1910 von Baumen nur sehr allgemein die Rede ist, das heisst, es dem Landschaftsgartner freigestellt ist, ein Projekt zu erarbeiten, wird 1970 mit Präzisierungen wie «Baume als Schutzgürtel» operiert. Es ist vor allem der Begriff «Schutzgürtel», der uns dabei stört, denn wer«Schutzgürtel»sagt, meint «verstecken», was bedeuten könnte, dass eine Industrie unvyeigerlich und objektiv als ein hässliches, aber notwendiges Übel angesehen wird. Im zweiten Beispiel geht es um das Problem der Anpassung an die Umgebung: Gemeinde Glarier Art. (...) «Auf diesem Plan muss der Neubau so dargestellt werden, dass die Bezüge zum öffentlichen Bereich und den angrenzenden Grundstücken ohne weiteres festgestellt werden können. » Gemeinde Glarier, Reglement von 1970 Art. (...) «Auf den Plänen für die Baueingabe müssen die Bauten, die an das projektierte oder zu verändernde Gebäude angrenzen, im Aufriss dargestellt werden, so dass die Integration des Neubaus in die Umgebung ersichtlich ist. » Gemäss Wörterbuch sind in diesem Fall die Nuancen viel feiner: Bezug: Ort, Beziehung, die der Geist zwischen mehreren sich unterscheidenden Objekten feststellt. Synonyme: Verbindung, Übereinstimmung, Affinität, Verwandtschaft. Integration: Einverleibung (neuer Elemente) in ein System. Synonyme: Assimilation, Fusion. Vereinigung. Es wird nun klar, dass hier das mit dem Reglement insgeheim angestrebte Ziel nicht mehr die Auseinandersetzung mit dem Neuen und Bestehenden ist, sondern dem Begriff der Nachahmung viel naher kommt. Zwar wünscht man sehr wohl Neues, aber es soll vor allem so wenig wie möglich zum Vorschein kommen.

Folgende Tabelle zeigt auf, wie häufig vier bestimmte Begriffe im Lauf der Geschichte der Regiemente verwendet werden. Wir haben sie in Abhängigkeit von ihrer Subjektivität gewählt.

Diskretion ist nicht obligatorisch Vorschrift. Objektiv gesehen, scheint die Ästhetik des natürlichen Aluminiums auf den einfachen Formen von 1923 weniger protzig als der gegenwärtige «gute Ton». Ganz am Seeufer, das «kleine Haus» von Le Corbusier (Vevey. Schweiz), umgeben von oft späteren Werken, von « sehr aktueller» Ästhetik.

Ein Werk, vollkommen integriert und diskret, im Sinne der « neuen Architektur», für welches heute in gewissen Gegenden kaum noch eine Baubewilligung erteilt würde.