Das Gesamtkonzept hatte hauptsächlich die Aufwertung der aus der Sicht der Baukunst bedeutsamen Räume zum Ziel. Es galt, darin errichtete Abtrennungen zu eliminieren, die weder den ursprünglichen Strukturen der Gebäude, noch den neuen Verwendungszwecken entsprachen. Es konnte jedoch nicht darum gehen, den ursprünglichen Kern durch radikale Entfernung aller Einbauten freizulegen, die nacheinander in den vorangegangenen Epochen entstanden waren. Ein solches Vorgehen erwies sich sofort als unsinnig, denn es hätte dem charakteristischen Werdegang dieser Gebäude nicht entsprochen.
Das Projekt fügte sich vielmehr in den bisherigen Ausbau der Gebäude ein, aus dem der aktuelle Umbau entstanden ist, um sie den zeitgemässen Erfordernissen und den neuen Verwendungszwecken entsprechend herzurichten. Das neue Architekturkonzept der Casa Rusca ging von der typischen Art der Gebäude mit zentralem Hof aus, die der räumlichen Organisation einer Gemäldegalerie vollkommen entsprechen. Daher ist eine durchsichtige Überdachung des Hofes vorgeschlagen worden. Schon die nachträglich eingebaute Säulenhalle schuf eine gedeckte Verbindung beider sich gegenüberliegender Gebäude. Sie entsprach der Wohnweise der damaligen Zeit. Die neue Nutzung als Museum bedingte entsprechende Anpassungen im Einklang mit dem Werdegang der Bausubstanz. Es war unmöglich, den Rundgang innerhalb der Wohnräume durchzuführen, daher blieben nur zwei Möglichkeiten offen: Der vertikale Abschluss der Arkaden durch Verglasung oder die durchsichtige Überdeckung des Hofes. Die zweite Möglichkeit drängte sich auf, da sie den geringsten Eingriff in die bestehende Bausubstanz bedeutet hätte. Die geringen Abmessungen des geschlossenen, tiefen Hofes der Casa Rusca mit ihrem Lichteinfall von oben her und der Sicht himmelwärts, haben eine Überdeckung nahegelegt. Eine Glaskuppel über dem Hof hätte nicht nur die «kalte» Verbindung zwischen beiden Gebäudeflügeln vermieden, sondern auch noch die Ausstellungsfläche im Hof und an den Wänden der Arkaden vermehrt. Diese Lösung bot den geringsten Eingriff in die Struktur des Gebäudes und den grössten Nutzen für seine Wiederverwendung. Wegen der verstockten Opposition der Kommission für historische Denkmäler und anderer Schutzorganisationen blieb jedoch dieser Vorschlag im Stadium eines Projektes. Immerhin ist zugunsten der Beibehaltung der übrigen Dispositionen des Projektes entschieden worden. Vom Platz S. Antonio gelangt man durch einen bestehenden Korridor ins Gebäude und zum Lichthof, der früher durch ein Wasserbecken versperrt war, während der Garten jenseits des andern Gebäudeflügels vollständig davon getrennt war. Auf dieser Ebene haben wir das Wasserbecken entfernt und in der Flucht der Eingangsachse eine Verbindung zum Garten dergestalt geschaffen, dass sein Einbezug als äusserer Ausstellungsraum (Skulpturen unter freiem Himmel, usw.) sogleich vom Hof aus zu erkennen ist. Der vertikale Verkehr jenseits der bestehenden Stiege ist durch eine Liftanlage ergänzt worden, die im gegenüberliegenden Lokal diskret untergebracht ist. Sie dient sowohl Behinderten wie auch als Materialaufzug und lässt der Stiege ihre Funktion als Hauptverbindung. Auf den oberen Ebenen haben wir eine gegenläufige Begehung gewählt; sie verläuft parallel zu den Verbindungen beider Flügel des Gebäudes. Damit ist der Weg vorgezeichnet und gut erkennbar. Die durch Enfernung von Trennwänden gewonnenen Räume werden Fenstern entlang, mit Sicht auf den Platz und den Garten begangen. Dadurch erfahren die zentralen Ausstellungsflächen, die zum Säulengang führen, eine Vorzugsstellung. Eine Ausstellung der Kunstwerke im Gegenlicht wird vermieden. Raum und Inhalt stehen im richtigen Verhältnis zueinander: Einerseits befinden sich die Ausstellungsflächen und anderseits die Wände mit Fensteröffnungen in Richtung zur Stadt.
Unterhaltsarbeiten und Restaurierung Der Unterhalt der ausschlaggebenden Strukturen des Denkmals und die entsprechenden Oberflächenbehandlungen ergaben sich aus der derzeitigen Restaurationstechnik. Die Kassettendecken wurden mit reversiblen, farblosen Produkten behandelt und sind mit Bienenwachs nachbehandelt worden. Die Gewölbe sind entsprechend der ursprünglichen Tünche durch Aufdampfen mineralischer Produkte in blaugrauer Farbe aufgefrischt worden (die gleiche Farbe ist auch im zweiten Stock für die neue Kassettendecke verwendet worden, um ein kohärentes Bild zum «Himmel» in den Arkaden zu erhalten). Die Fassaden sind unabhängig von der farbigen Ausschmückung der Galerie, aber in Übereinstimmung mit der Umgebung, kakifarbig gestrichen worden. Erneuerungsarbeiten und Umgestaltungen In bezug auf Organisation und in der Formgebung entsprechen diese Massnahmen der Natur der Haupteingriffe. Sie verdeutlichen übereinstimmend die Verschiedenartigkeit zwischen Eingriffen, Konservierung und Umbau, jedoch immer unter Wahrung und ohne Tarnung der bestehenden Strukturen. Wir haben zwei Baustoffe ausgewählt, nämlich Holz und Eisen. Den einen dreieckig und den andern rechteckig profiliert. Beide sind als Produkte unserer Zeit erkennbar, aber diskret ins Gesamtbild des Denkmals eingefügt worden. - Die schwarze eiserne Umrahmung der inneren Verbindungen des Rundganges und die richtungsorientierte Riefelung der Böden markieren offensichtlich den Weg durch die Ausstellung. - Die Profilierung der Holzelemente der Türen, Fenster, gitterförmigen Abschlüsse und kleinen Sockel basiert immer auf dem Dreieck. Das Bild der äusseren Türeinfassungen ist von jenem der Fenster übernommen, das sich für die modulare Wiedergabe diverser Unterteilungsvarianten in kleine Scheiben besser eignete und auch heutiger Technik besser entsprach (minimale Rahmenstärke für Doppelverglasung). Die verglasten Eingangstüren zu den Sälen sind nach dem gleichen Prinzip konzipiert worden. - Mit dem neuen Vorschlag für den Ersatz der inneren, nicht mehr verwendbaren und unpassenden gitterförmigen Abtrennungen war eine diskrete Abtrennung der Nebenräume (Lift, WC) vom Ausstellungsrundgang angestrebt worden. - Der gegossene Boden der Arkaden ist als Sinnbild vollständig ausgewachsener alter Pflästerungen gedacht. Die Längsrichtung des Ganges ist durch Graniteinlagen angedeutet, was auch die architektonische Struktur und Funktion der Räume unterstreicht. - Für die neuen inneren Rahmen der Fenster, Türen und Abschlüsse ist ein dünner Weissanstrich mit transparentem Lack gewählt worden. Damit ist eine doppelte Wirkung angestrebt worden, nämlich die Wahrnehmung einer einheitlichen weissen Farbe, schon auf Distanz, und die Erkennung der Transparenz bei näherer Betrachtung. Einrichtungen Obwohl Einrichtungen spezifische technische Merkmale aufweisen, hat man jedoch Lösungen gewählt, die den geringsten Gegensatz zu dem Denkmal erbrachten. Zwei vertikale Schaltsäulen sind in nicht mehr benützten Kaminen untergebracht worden. Die horizontalen Verteilleitungen liegen in Fugen des Bodenbelages. Die Wahl der Beleuchtungssysteme ist in Übereinstimmung mit den Erfordernissen einer Kunstgalerie getroffen worden. Die Leuchtkörper und Aufhängungen sind so gewählt worden, dass ein möglichst geringer optischer Einfluss auf das Bild der Kassettendecken entstand.
Im Gesamtkomplex der Pinakothek bildet der Garten der Casa Rusca einen unerlässlichen Raum für Ausstellungen von Skulpturen oder für andere Anlässe unter freiem Himmel. Die Neustrukturierung der Gebäude, und namentlich auch die Vollendung der Durchgangsachse Piazza S. Antonio - Hof - Garten, erbrachten eine offensichtliche Einfügung des Gartens in den Gesamtraum des Museums. Gegenwärtig ist der Garten durch Gebäude, Umfassungsmauern und verschiedene Abschlüsse begrenzt, deren heterogener Charakter einen unpassenden Rahmen darstellt. In bezug auf das Erscheinungsbild der übrigen Räume (Gebäude-Innenräume, Arkaden, Hof) haben wir es als notwendig erachtet, eine Bepflanzung vorzusehen, die sich nicht nur auf horizontale Rasenflächen beschränken konnte. Eingedenk der früheren Verhältnisse, wo die Gartenmauern teilweise noch mit Kletterpflanzen bewachsen waren, haben wir eine hochwachsende Bepflanzung zur Abdeckung der uneinheitlichen Höhen der Umfassungsmauern vorgeschlagen. Dieses Vorhaben bot wohl auch die einzige Möglichkeit, einen einheitlichen Rahmen zu schaffen ohne mit der Problematik der nachbarlichen Bebauung konfrontiert zu werden. Die gegen die Piazzetta del Ospedale und die Via S. Antonio gerichteten Öffnungen, welche die Verbindung und die Sicht nach aussen bilden, sind durch Portale abgeschlossen worden. Diese sind in durchbrochener Bauart
derart konzipiert worden, dass sie gleichzeitig die Intimität des Innenraumes wahren und die Individualität seines Inhaltes betonen, nämlich als Abschluss aus der Ferne gesehen und Transparenz aus der Nähe betrachtet. Dadurch wird der Garten, im Hinblick auf seine Funktion als Ausstellungsraum, auch vor dem missliebigen Anblick durchfahrender oder parkierter Fahrzeuge und dem Verkehrslärm abgeschirmt. Um das grosse Eingangsportal den Erfordernissen einer Kunstgalerie anzupassen, haben wir für das Gitterwerk das schon für die andern Abschlüsse entwickelte Konzept vorgeschlagen, entsprechend der doppelten Forderung nach Abschluss und Transparenz. Allerdings ist das grosse Eingangsportal, welches wir vorgesehen hatten, im Projektstadium verblieben. Die äusseren Gitter, wie alle andern metallischen Elemente (Rahmen, Brüstungen, Handläufe, Geländer) wurden anthrazitschwarz, metallisiert gestrichen.