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EDITO

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Das Bauhaus – von immerwährender Aktualität…

Was bedeutet für unsereinen das Thema Bauhaus, 100 Jahre nach seiner Gründung durch Walter Gropius im Jahre 1919? Eine naheliegende Antwort auf diese Frage finden wir vielleicht in einer kürzlich im Werbemagazin der Fluglinie EasyJet erschienenen Anzeige zum 100. Jahrestag dieser Institution – sie zeigt den berühmten Stahlrohrsessel von Breuer und die Aschenbecher aus vernickeltem Messing von Marianne Brandt. Besteht die visuelle Visitenkarte des Bauhauses vor allem in dem von dieser Schule im Rahmen ihrer kreativen Arbeit in Weimar und auch in Dessau gestalteten Mobiliar? M.belstücken, die die Zeiten überstanden haben und die wir noch heute in der „Wohnlandschaft“ unserer Häuser und Wohnungen finden?

Diese Hypothese ist interessant. Danach besteht die Wahrnehmung des vom Bauhaus geschaffenen Neuen vor allen Dingen aus diesen Objekten des täglichen Bedarfs mit ihrem raffinierten Design, das die von Peter Behrens mit seinem Berliner AEG-Gebäude initiierte Linie fortsetzt. Behrens war damit zweifellos den Sitten und Gebräuchen der Gesellschaft der Zeit zwischen den beiden Kriegen ein Stück im Voraus. Dies ist an sich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Gropius alle Schwierigkeiten hatte, diese Produkte auf den Markt zu bringen – man fand sie zu kalt und zu funktional. Erinnern wir uns, dass der Ertrag der in dem Prototyp „Haus am Horn“ ausgestellten Stücke – ein von dem Maler Georg Muche entworfenes Typenhaus für die Weimarer Ausstellung 1923, das den Geist des Bauhauses publik machen sollte – praktisch gleich Null war.

Schlussendlich wurde jedoch die Zeit reif für Architekten wie Breuer, aber auch Aalto, Mies, Le Corbusier oder Mart Stam, die alle viel Mühe und Akribie dafür verwandten, das Design dieser Möbel von den schwerfälligen Attributen der Vergangenheit zu befreien. Man könnte also annehmen, dass es vor allem diese Gegenstände des Alltags sind, die für uns noch heute die Aktualität des Bauhauses darstellen.

Man täte aber dem Bauhaus Unrecht, würde man seinen Impuls nur auf den Bereich des Designs, beschränken, so wichtig er auch war. Für uns als Architekten hat die Ausdrucksform des 1925 in Dessau von Walter Gropius und Adolf Meyer geschaffenen Gebäudes und der darin praktizierte Unterricht ganz entscheidend den Blick auf die Wandlungen der Moderne in der Zwischenkriegszeit beschleunigt. In diesem Sinne muss man feststellen, das Sigfried Gideons Vergleich zwischen den transparenten Ecken des Bauwerks und der vierten Dimension in Picassos Bildern, wenn man sie auch kritisieren darf, entscheidend dazu beigetragen hat, den Ikonen-Status dieses Gebäudes in der Geschichte des modernen Bauens im 20.Jahrhundert zu mystifizieren.

Stellen wir uns der Tatsache, dass selbst ein Jahrhundert nach der Gründung des Bauhauses dessen Geschichte es verdient, sie immer wieder neu zu betrachten. Ich denke dabei im Besonderen an eine eingehende Analyse der Jahre unter der Leitung des Baslers Hannes Meyer, deren Eckpunkte wir immer nicht nicht genau kennen. Und an die der Rolle von Otto Bartning, der als der wahre „Vater der Bauhaus-Idee“ gilt, indem er es in Weimar weitergeführt hat.

Machen wir uns frei von der Dominanz des Wirkens von Walter Gropius und erinnern wir uns, dass es eigentlich mehrere „Bauhäuser“ gegeben hat – so, wie man es vor kurzem in einer Ausstellung im mudac in Lausanne sah. Es gibt noch viel zu ergründen...

Bruno Marchand, Professor EPFL