Architecture Suisse

DESIGN

Vom Bauhaus nach Zürich

DER SCHWEIZER ARCHITEKT UND INDUSTRIEDESIGNER HANS BELLMANN

TEXT | RENATE MENZI
KURATORIN DER DESIGNSAMMLUNG UND CO-KURATORIN DER AUSSTELLUNG IDEALES WOHNEN, MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

2004-0059alight.jpg

HANS BELLMANN, ARMSESSEL SITWELL 101. STRÄSSLE SÖHNE AG, 1955, MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

Nach seinem Studium am Bauhaus in Dessau und Berlin arbeitete Hans Bellmann zunächst bei Ludwig Mies van der Rohe, kehrte aber 1934 in die Schweiz zurück, wo er neben seiner Tätigkeit als freier Architekt und Industriedesigner auch unterrichtete. Von 1948 bis 1955 an der Zürcher Kunstgewerbeschule, danach auf Einladung von Max Bill an der Hochschule für Gestaltung in Ulm und 1958/59 an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel. In Zürich war Bellmann Lehrer im Vorkurs, obwohl er sich bereits einen Namen als Entwerfer von Typen-Möbeln gemacht hatte und 1934 bis 1938 Mitarbeiter der Züricher Wohnbedarf AG war. Sein Kolonialtisch oder das zwischen Decke und Boden verspannte Stabstützenregal waren bereits damals viel beachtete Entwürfe. Im sogenannten Grundjahr an der Zürcher Kunstgewerbeschule (heute ZHdK) gab Hans Bellmann Inhalte aus der Bauhauslehre weiter, die er aus eigener Erfahrung kannte. Er war 1931 der jüngste Schüler am Bauhaus in Dessau und erlernte bei Josef Albers die Grundlagen der Gestaltung. Mit präzisen Übungen förderte Bellmann das plastische Denken: „Jeder Schüler, welchen Beruf er später auch ergreift, sollte einen einfachen geometrischen Körper darstellen können.“ Mit Hans Bellmann hatten die Schüler in Zürich einen begeisterten Anhänger von Albers Pädagogik zum Lehrer. Vor allem ihre dreidimensionalen Arbeiten aus Papier oder Draht erinnern an die Materialstudien aus Josef Albers Unterricht. Albers übernahm 1928 die Leitung des Vorkurses am Bauhaus und führte die Bauhaus-Lehre danach in Amerika zuerst am Black Mountain College und später in Yale ein. Bellmann und Albers müssen bereits in der Zeit am Bauhaus befreundet gewesen sein, denn sie pflegten einen regen und vertraulichen Briefwechsel über Jahre.

1991-0365b-2.jpg

HANS BELLMANN, SPANNSTÜTZENGESTELL. WOHNBEDARF AG, 1946, MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

1996-0072.jpg

HANS BELLMANN, EINPUNKTSTUHL, WOHNBEDARF AG, 1951/52, MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

Es wäre interessant, genauer zu untersuchen, ob und wie sich die Bauhauslehre auf die spätere Entwurfstätigkeit Bellmanns ausgewirkt hat. Seine eleganten, zeitgemässen Möbel und Industrieprodukte sind nicht nur sehr sorgfältig geformt und proportioniert, sondern auch mit technischen Innovationen verbunden. In Zusammenarbeit mit der Firma Strässle Söhne AG in Kilchberg (SG) etwa entwickelte Hans Bellmann zwischen 1955 und 1961 die Sitwell-Kollektion mit den ersten industriell hergestellten Polyestersitzschalen in Europa. Auch in Bellmanns Gestaltungsansatz als Architekt lassen sich Spuren der Baushauslehre ausmachen; so etwa im Verhältnis von Architektur und Inneneinrichtung oder in seiner besonderen Sensibilität für Farben. Im Unterschied zu den avantgardistischen Objekten aus den Bauhaus-Werkstätten waren für Bellmann hingegen Praktikabilität und Wohnlichkeit ausschlaggebende Gestaltungskriterien. Es gelang ihm immer wieder, das Werkbund-Credo der „guten Form“ und damit die Einheit im Ausdruck von Funktion und Form in Alltagsobjekten wie dem zeitlosen Waschbecken Carina oder dem demontierbaren Einpunktstuhl (1951) umzusetzen. Sie sind bleibende Paradebeispiele für die unaufgeregte Schönheit des Schweizer Designs.

1988-0222.jpg

HANS BELLMANN, WASCHBECKEN CARINA, SABEZ ZÜRICH, 1953, MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

BELL-0026-0001light.jpg

STUDENTENAUSWEIS VON HANS BELLMANN, BAUHAUS DESSAU, 1931-1933, MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH

BELL-0036-0002light.jpg

UNENDLICHE SPIRALE AUS GEBOGENEM DRAHT, SCHÜLERARBEIT AUS DEM UNTERRICHT VON HANS BELLMANN, 1950, MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH. FOTO: FOTOKLASSE DER KUNSTGEWERBESCHULE ZÜRICH, ZHDK

FOTOS | MUSEUM FÜR GESTALTUNG ZÜRICH, DESIGNSAMMLUNG, ZHDK

www.museum-gestaltung.ch