EDITO

Das Labor der Moderne

Das Labor der Moderne

Alle Kunstgattungen einberufen, auf dass sie sich untereinander kreuzen und sich gegenseitig befruchten, dabei Kategorien und Hierarchien aufheben. Sie aus einer Perspektive betrachten, welche eine Verbindung mit dem Leben schafft. Kunst, Wissenschaft und Technik zu einer Einheit werden lassen. Sprechen wir hier von der zeitgenössischen Kulturszene? Man könnte es glauben, so sehr ähneln sich diese Bestrebungen. Aber hier ist vom Bauhaus die Rede, und das Bauhaus hat vor gerade einmal hundert Jahren den Weg in unsere Gegenwart geebnet. Visionär und erstaunlich aktuell konnte das Bauhaus nur vierzehn Jahre bestehen, bis es im Jahre 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde.

Die mythische Institution Bauhaus entstand gleich nach Ende des Ersten Weltkriegs und wurde in ihrem Elan mit den frühen Anzeichen des Zweiten Weltkriegs wieder gestoppt. Zuvor konnte sich noch eine Gruppierung am berühmten Black Mountain College in den Vereinigten Staaten bilden, wo eine eigene kulturelle Utopie entwickelt wurde. Das Bauhaus und in besonderem Maße seine Nachwelt bleiben vor allem der Architektur und dem Design verpflichtet. Seine Mission der totalen Kreation konzentrierte sich vorrangig auf die Restrukturierung eines zerstörten Europas und die Neuerfindung des modernen Lebens und einer neuen Gesellschaft. Man kann sich fragen, ob die bildende Kunst auf dem Altar des Wiederaufbaus geopfert wurde. Bevor das Bauhaus seinen Fokus vor allem auf Technik und Materialien richtete, hatte es jedoch den Künsten eine zentrale Position in seinen Werkstätten und Ateliers eingeräumt, in denen herausragende Künstler der Avantgarde arbeiteten. Welche Spuren aus dieser Zeit sind in die Kunstgeschichte eingegangen? Minimal Art, Kinetische und Kybernetische Kunst, Happenings, Performance Art, um nur einige zu nennen, finden hier unter anderem ihre Ursprünge. Was Klee und Kandinsky betrifft, Bauhaus oder nicht, so sind diese Künstler Giganten ihrer Zeit, deren Lehre und theoretischen Schriften, über die poetische Kraft ihrer Arbeit hinausgehend, einige der wesentlichen Meilensteine der Ästhetik und des künstlerischen Denkens des 20. Jahrhunderts gesetzt haben. Sehr weit davon entfernt, einen „Bauhausstil“ etablieren zu wollen, haben sie vielmehr ein Labor der Moderne geschaffen, in dem das Erblühen jeglicher Experimente und Metamorphosen erst möglich werden konnte.

Françoise Jaunin

© MARTA VILARINHO DE FREITAS « CONSTRUÇÃO_ A CIDADE IMAGINADA » SPECIAL EDITION « BAUHAUS » – MARTAVILARINHODEFREITAS.COM – INSTAGRAM.COM/MARTAVILARINHODEFREITAS