SWISS PAVILION IN VENICE © SWISS ARTS COUNCIL PRO HELVETIA
Die 1980 gegründete Architekturbiennale in Venedig ist eine der wichtigsten Plattformen zur Verhandlung sozialer, ökologischer und technologischer Fragestellungen rund um das zeitgenössische Architekturschaffen. Seit 2000 findet der Grossanlass regelmässig alle zwei Jahre alternierend mit der Kunstbiennale statt. Neben der Vermittlung baukultureller Themen ist die Architekturbiennale ein einzigartiges Experimentierfeld für neue Ausstellungsformate. Davon zeugen auch die bisher zwölf Ausstellungen, die seit 1991 den Schweizer Pavillon in jeweils ganz unterschiedlicher Form bespielten. Die ersten Beiträge nutzten den Pavillon vor allem als Hintergrund und Träger von Fotografien, Modellen oder Plänen: So etwa die Ausstellung «Architecture of Herzog & de Meuron» (1991) über ausgewählte Werke des Basler Architektenduos oder «Il Centro» (1996), in der Luigi Snozzi seine Dorfkernsanierung des Ortsteiles von Bellinzona präsentierte. Ab den 2000er Jahren wurde das Ausstellungsgebäude von Bruno Giacometti aus den 50er Jahren immer mehr zum Schauplatz innovativer kuratorischer und szenographischer Konzepte. So transformierten die Architekten Jean-Gilles Décosterd und Philippe Rahm den Pavillon mit ihrer Installation «Hormonorium»(2002) in einen immersiven Erfahrungsraum aus weissen Wänden, Decken und Böden sowie 528 in den Boden eingelassenen Fluoreszenzröhren. Gleichzeitig reduzierten sie den Sauerstoffgehalt und simulierten ein alpines Klima, das dem Besucher die Wirkung von Luftdruck, Farbe und Licht bewusst machte. 2014 überraschte der Kurator Hans Ulrich Obrist mit einer performativen Retrospektive auf den Schweizer Planungstheoretiker Lucius Burckhardt und den englischen Architekten Cedric Price: Jeden Tag füllten Architekturstudierende einen Archivwagen mit Faksimile-Material und erklärten im fast leeren Ausstellungsraum den Besuchern die Ideenwelten von Burckhardt und Price. Die grösste Veränderung erlebte der Schweizer Pavillon bisher im 2018 erfolgten Beitrag «Svizzera 240: House Tour», der sich auf die durchschnittliche Höhe von 240 Zentimetern von Schweizer Neubauwohnungen bezog. Der Pavillon wurde in eine Sequenz von stereotypen Wohnräumen in unterschiedlichen Massstäben überführt und stellte ein begehbares Trompe-l’Œil aus weissen Wänden, Sockelleisten oder Holzböden dar. Der erfolgreiche Beitrag griff auf eine zugängliche Art eine Vielzahl an Problemfeldern der zeitgenössischen Architektur wie z.B. die Standardisierung auf. Aufgrund der Covid-19-Zäsur findet die nächste Architekturbiennale erst wieder 2021 statt: Die Kuratoren Mounir Ayoub, Vanessa Lacaille, Fabrice Aragno und Pierre Szczepski fokussieren auf die räumliche Wahrnehmung der Landesgrenzen und analysieren deren materiellen und immateriellen Aspekte. Es bleibt spannend zu sehen, wie sie diese komplexe Thematik in eine Ausstellung übersetzen werden.
SVIZZERA 240: DER SCHWEIZER PAVILLON BEI DER 16. AUSSTELLUNG © WILSON WOOTTON, ALESSANDRO BOSSHARD, LI TAVOR, MATTHEW VAN DER PLOEG, ANI VIHERVAARA
Nachdem das Bundesamt für Kultur jeweils den Auftritt der Schweiz verantwortete, ist seit 2012 Pro Helvetia für die einzelnen Beiträge zuständig. Im gleichen Jahr initiierte die Schweizer Kulturstiftung parallel zum Pavillon den Salon Suisse, eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen, die jeweils im Herbst im Palazzo Trevisan degli Ulivi stattfinden. 2021 umkreist der Salon unter dem Titel «Bodily Encounters» die fundamentalen Beziehungen zwischen Körper und Architektur. So steht beispielsweise die Betrachtung von gebauten Strukturen als animierte Organismen im Vordergrund, deren räumliche Gesten mit dem Menschen in Dialog treten. Aber auch aktuelle Fragestellungen finden Eingang in das Programm: Inwiefern verändern etwa neue Distanzregeln unser sozialräumliches Verhalten und Verhältnis mit der gebauten Umwelt? Es wird sich lohnen, an der kommenden Biennale neben den Schweizer Beiträgen auch die weiteren Länderpavillons und Veranstaltungen zu besuchen und zu verfolgen, wie sie das Leitmotiv «How will we live together» im Hinblick auf die Pandemie und die neuen Herausforderungen an die Baukultur verhandeln werden.
Evelyn Steiner
Evelyn Steiner ist Kuratorin am Zentrum Architektur Zürich und kuratiert die diesjährige Ausgabe des Salon Suisse
AUSZUG AUS EINER PHOTOGRAPHISCHEN REPORTAGE VON MATTIAS RENNER FÜR DEN SCHWEIZER SALON 2020
„NENNEN WIR ES FUNKTIONAL“
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DIE LEKTION VON CARLO SCARPA IN DEN SCHWEIZER ARCHITEKTURZEITSCHRIFTEN 1940-1978
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DIE ARCHITEKTUR IM SPIEGEL DER GESCHICHTE
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