Architecture Suisse

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Das Bauen von Objekten

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Was bewegt den Architekten dazu, Objekte für den täglichen Gebrauch zu gestalten, oder eher neu zu gestalten? Was bedeutet die ständige Neukonzeption von Objekten, deren Funktionen sich im Lauf der Zeit nicht grundsätzlich verändert haben? Spiegeln sich in der Suche nach einem neuen Erscheinungsbild nur neue Techno­ logien wider, oder drückt diese Suche auch den Wunsch aus, die Sensibilitäten der jeweiligen Epoche aufzuzeigen? Das sind einige Fragen, die das Denken, Skizzieren und Zeichnen bei jedem neuen Projekt begleiten.

Indem man ein Objekt mit einer gewöhnlichen Nutzung neu gestaltet, drückt man das grosse, in jedem von uns vorhandene Bedürfnis nach Kreativität aus. Das ist eine Art, zu versuchen, das von andern ständig korrigierte und veränderte Gebaute zu verstehen und zu interpretieren. Es ist ein Mittel, um das Recht auf seine eigene Existenz zu bekräftigen, ein Mittel, um sich lebendig zu fühlen; und in einem gewissen Sinn ein Mittel, um dem Tod zu widerstehen.

Der Wunsch, sich auszudrücken, die Notwendigkeit, etwas Neues zu schaffen und sich dadurch sogar mit dem Empfinden seiner Epoche konfrontieren zu lassen, sind für die Menschen primäre Bedürfnisse. Daher dürfte dieses manchmal mit Bangigkeit verbundene Verlangen, Bekannte und vertraute Objekte neu zu entdecken und zu Zeugen unserer Zeit umzuformen, nicht überraschen. Die uns umgebenden Objekte und ebenso der Raum, den wir tag­ täglich um uns herum gestalten, zeigen unsere Sensibilitäten auf, weisen auf unsere Hoffnungen hin und sind positive Zeugen unserer Zeit. Die alltäglichen, banalen Objekte sind diejenigen, die am engsten mit unseren Gewohnheiten verbunden sind und zu denen die Leute am meisten Kontakt haben. Diese Objekte stellen mit jedem von uns notwendigerweise eine Beziehung her. Sie geben uns die Möglichkeit, mit leiser Stimme diskrete Gespräche zu führen, was uns vielleicht automatisch anzieht. In unserem Alltag ist es schwierig, den Gebrauch eines Stuhls, eines Tisches oder einer Lampe zu vermeiden. Deshalb kann man diese Möbel vielleicht als befreundete Objekte ansehen, die zu uns sprechen und uns viele kleine Geheimnisse erzählen. Für den Architekten bedeutet das alles eine Konfrontation mit dem «Schon-Gemachten», mit dem «Schön-Gesehenen», und stellt die Grundlage einer Neuinterpretation dar. Jedes neue Projekt ist ein neuer Vorschlag und wird unweigerlich zu einer «destruktiven Korrektur» des betreffenden Objekts. Sehr oft ist es nicht die Nutzung oder die Funktion eines Objekts, das sich ändert, sondern einfach der Sinn, der durch neue Bedeutungsinhalte und Anforde­ rungen verändert wird. Dadurch verbirgt sich der Sinn der Dinge, ihre tiefsten Bedeutungsinhalte, hinter der Nutzung, für die das Objekt geschaffen wurde. Ein Objekt neu zu gestalten heisst auch, sich mit einer Epoche auseinanderzusetzen, denn der «Designer» wird dazu veranlasst, die Vergangenheit des Objekts zu erforschen, aus der Geschichte zu schöpfen. Dazu gehört die «Erinnerung» an die betreffenden Objekte. Diese Auseinandersetzung mit neuen Formen lässt verborgene Anforderungen deutlich werden und setzt neue Priori­ täten. Dann beginnt der Prozess der «Ausführung»: der Versuch, den 89.1

verwendeten Formen und Materialien eine Bedeutung zu geben; die Freude, das Schöne an einer Arbeit und an einfachen, alten Berufen neu zu entdecken ; die Befriedigung, die Logik in den Gesetzen des Fügens wiederzufinden; die Suche nach einer wirtschaftlichen Herstellungsart; die Verwendung des Minimums zur Erzielung des Maximums. Diese Phase ermöglicht es, die Handwerkskunst, die Schönheit der Werkzeuge, das Ausrichten, das Überprüfen, die Abschlussarbeiten, den Prototyp als die letzte handwerkliche Ausführung vor der Serienproduktion zu entdecken. Es handelt sich um einen komplexen Vorgang des «Konstruirens», bei dem man von ersten Ideen und Projekten ausgeht, die allmählich präziser werden und schliesslich der Realität der Materialien und der Technik entsprechen. Erst in einer späteren Phase führt dieses Bauen zur Synthese des fertigen Objekts. Für den Architekten ist dieser Schaf­ fensprozess reicher und dankbarer, als es dem fertigen Werk entspricht. In der ganzen Entstehungsgeschichte eines Gebäudes gibt es eine Fülle von Erfahrungen, eine Fülle von kleinen Entdeckungen und grossen Illusionen, die die Arbeit und die mit dem Endresultat verbundenen Anstrengungen kennzeichnen. Das alles macht in der Tat das Erbe unserer Kenntnisse aus, von denen nur ein kleiner Teil am Endprodukt zum Ausdruck kommt. Ein Objekt zu kreieren und zu zeichnen heisst, diesen Weg zu gehen... In jeder neuen Erscheinung lässt sich die Erinnerung daran erkennen. Jedes neue Ding hat sein eigenes «Alter». Die «Hoffnung» des Projektierenden liegt darin, dass die durch das neue Design vermittelte Botschaft die Erinnerung umfasst, und dass dieses Wissen, diese Bescheidenheit des gebauten Objekts, jeden Tag aufs neue bereichert.