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Zum Schloss Tannay, Renovierung und Umnutzung: zwei Wege der Transformation

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Die Arbeiten, die von der Gemeinde Tannay als Eigentümerin des Schlosses in Auftrag gegeben wurden, müssen von zwei unterschiedlichen, besonderen Ausgangspunkten her begriffen werden. Es handelt sich einerseits um die Renovierungsarbeiten, d.h. allgemein gesagt um Konservierungs- und Unterhaltsarbeiten. Die Wiederherstellung der Mauern, der Böden, des Dachs und aller schadhaften Teile gehört zu dieser ersten Kategorie. Man kann sagen, dass der Architekt hier als Berufsmann für sein Wissen um die «Regeln der Kunst» oder die Kunst des Bauens und Realisierens verantwortlich ist. Die zweite Kategorie, die anders, aber komplementär und mit der ersten untrennbar verbunden ist, bezieht sich auf die Umnutzung und verlangt einen schöpferischen oder neu-schöpferischen Prozess, dem die eigentliche Vorstellung von der Baukunst zugrunde liegt. Der Umbau des Schlosses Tannay verlangte, dass diese beiden Pole mit Aufmerksamkeit angegangen wurden.

Renovierung Was die Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten betrifft, wurde keine Anstrengung gescheut, um alles materialgerecht zu reparieren, zu restaurieren und wiederherzustellen. Dabei musste man häufig weniger gebräuchliche Materialien und Techniken wiedereinführen, die oft ohne zwingende Gründe ein wenig in Vergessenheit geraten sind. Den modernen und zeitgemässen Anforderungen an den Komfort, die Wärmedämmung und die Heizung musste positiv und ohne Vortäuschungen entsprochen werden. Besonders dieser«Modernismus»versteht sich von selbst und ist zulässig.

Umnutzung Umnutzen heisst zum Beispiel eine Gebäudenutzung neu bestimmen, was zwangsläufig bedeutet, dass neue Interventionen davon Zeugnis geben müssen. Anfänglich schien es viel schwieriger und mit Unsicherheit verbunden zu sein, die Probleme der Umnutzung anzugehen. Die sorgfältige Prüfung dieser Frage zeigt, dass dem nicht so ist, wenn man die Fragen von heute auf die Fragen und Antworten bezieht, die uns die Geschichte anbietet. Stellt das Gebaute nicht das weiteste und wertvollste Betätigungsfeld für Studien und Überlegungen zur Geschichte dar ? Was lehrt uns diese Geschichte, die noch heute alle diejenigen prüft, die sich die Aufgabe gestellt haben, das architektonische Erbe am Leben zu erhalten ? Nichts anderes, als dass der Respekt vor der Vergangenheit verlangt, dass die Gegenwart ebenfalls respektiert wird. Dass die besten Schöpfungen der Vergangenheit sich auf intelligente Weise mit den besten Schöpfungen der Gegenwart vereinen. Dass die qualitativ hochstehenden Werke alles in sich haben, um zusammenzupassen, und dass für die Geschichte und sich selbst nichts bemühender ist als diese Haltung der Unsicherheit, Ablehnung und Verachtung, eine Einstellung, nach der man überhaupt nichts mehr machen dürfte. Umnutzen heisst, die Dinge in einen neuen oder andern Zustand zu bringen. Das Schloss Tannay umnutzen heisst, aus einem privaten Wohnsitz einen institutionellen und öffentlichen Ort zu machen, indem man einen bedeutenden Teil seiner Gebäude verschiedenen Institutionen zuführt: Dazu gehören die Gemeindeverwaltung, die Kanzlei, Räume für den Gemeinderat und die Kommissionen, Archive, Keller sowie die Feuerwehr und der Strassenunterhaltsdienst. Es bedeutet auch, dort Wohnungen unterzubringen, um die kollektive und «offene» Nutzung herbeizuführen. Mit Umnutzen kann hier nur die Anwendung von Potentialen gemeint sein, anders gesagt eine Art Reaktivierung der in der vorgegebenen gebauten Anlage enthaltenen Möglichkeiten. Das Umnutzungsprojekt stellt also immerdie Ausnutzung eines im «Gedächtnis des Gebäudes»vorgängig eingeprägten«Möglichen» dar. Die räumlichen Unterteilungen werden weitgehend berücksichtigt und die hierarchischen Bezüge weitergeführt. Die symbolischen, bedeutsamen und repräsentativen Dimensionen aus der Vergangenheit werden mit dem neuen, sich «sanft» einfügenden Projekt verbunden. Schliesslich wird alles in seiner Substanz durch die neue Nutzung neu belebt, ohne Nostalgie einerseits und ohne Aggressivität und Übertreibung andererseits. Überden Sinn seiner Arbeit zu sprechen und in diesem Fall nachzudenken bedeutet für den Architekten, die kulturelle Anstrengung und Auswirkung beim Bauen zu bestimmen. Man kann in der Tat nicht ein zu erhaltendes kulturelles Erbe antreten, ohne sich gleichzeitig damit zu beschäftigen, seine Massnahmen von heute zu ergreifen; diese müssen in ihrer kulturellen Bedeutung jenen der Vergangenheit nicht im geringsten nachstehen. Vincent Mangeat, Architekt BSA/SIA

.Wenn man über die Architekturzeichnung als vorgegebene Tatsache nachdenkt, fangt man unweigerlich an, sich über das Schaffen von Architektur in seiner Gesamtheit Fragen zu stellen, und versucht, die bestehende Beziehung zwischen Zeichnung und Architektur zu bewerten. Der Nutzen für die Bildung, der sich heute für uns aus der Lektüre Boullée ergeben kann, ist in der Art des Werks enthalten, das uns dieser Architekt aus dem Zeitalter der Aufklärung hinterlassen hat: ein Werk, das zur Hauptsache aus Texten und Zeichnungen besteht. Boullée hat die dort enthaltenen Projekte nicht gebaut; seine Leistung liegt in der Beziehung zwischen Text und Zeichnung, die die Einheit des Projekts bilden, wobei der Autor mit Hilfe der Zeichnung die Theorie entwickelt und beweist. Die Prinzipien dieser Theorie werden aus der Beobachtung der Natur und der von ihr ausgelösten Gefühle hergeleitet. Diese Prinzipien beruhen nicht auf einem Studium der bekannten Gebäude der klassischen Architektur, sondern sind das Ergebnis der individuellen Erfahrung und der Selbstbeobachtung. Auf diese Weise ist das Werk autobiographisch, und die Architektur geht über ihre Funktion, das Objekt wiederabzubilden, hinaus, um «Wiederabbild» des durch die Zeichnung dargestellten Objekts zu werden. Das architektonische Schaffen ist eine Handlung, die nicht in sich abgeschlossen ist, sondern in ihrer Ganzheit begriffen werden muss : sein und leben / sein und handeln, so dass Fühlen, Denken und Handeln keine getrennten Bereiche mehr sind. Infolgedessen ist die Welt (die Natur) kein äusseres und abstraktes Phänomen mehr, sondern bestimmt in sich selbst den Lebensinhalt, und das Verständnis für sie (das In-ihrem-Besitz-Sein) wird das Ziel der Handlung: Die Kreatur ist eine Kreatur in der Welt, und durch die Welt verwirklicht sie sich und ihr Werk, das zur Kunst wird. Auf diese Weise bekommt die frühere / nicht gebaute Architektur Gehalt. Indem Boullée die Rückführung der Architektur auf ein technisches Verfahren widerlegt, das aus der Konstruktion das Leitmotiv der Architektur macht und das architektonische Denken an die Bedingungen des gebauten Objekts bindet, versucht er, durch das Studium der Natur die Architektur auf Grundprinzipien abzustützen. Konstanten, die sich aus der subjektiven Beobachtung (dem Empfinden) der natürlichen Phänomene herleiten. In diesem System wird die Natur als idealer Bezugspunkt das Erfahrungsfeld des Seins - als Denken, das sich seiner selbst bewusst ist (Selbstbeobachtung). Die Natur enthüllt dem Beobachter ihr Wesen durch die Gefühle, die sie auslöst, indem sie ihn sich selbst erkennen lässt. Dieser Bezug zur Natur lässt darauf schliessen, dass es eine spezifische, nicht rationalisierbare (objektivierbare) Beziehung zwischen dem Beobachter und dem Objekt gibt, die vergleichsweise zwischen einem empfindsamen Wesen und einem regungslosen Objekt gefühlsmässig besteht. Dies stellt den Menschen ins Zentrum jeder Wahrnehmung oder Tätigkeit. Das Werk besteht durch seine Fähigkeit, sich selbst dem Betrachter zu offenbaren, und in dem Masse, in dem es den Betrachter sich selbst erkennen lässt. Es handelt sich also nicht darum, eine Reihe von Beobachtungen zu reproduzieren, die dadurch objektivierbar und katalogisierbar wären und eine passende Serie unverrückbarer Bilder hergeben würden, sondern um eine Wiedergabe der gemachten Erfahrung/ des erlebten Gefühls, indem man ein analoges Bild komponiert. Die Architektur wird ein Artefakt (eine künstlerische Handlung), ein abstraktes Objekt, mit dem der Handelnde durch das Bild (die Zeichnung) die Bedingungen des Seins in der Welt ins Gegenständliche übersetzt und durch die Komposition des Bildes Rechenschaft über die Weltordnung ablegt.