Die von Architekt Ugo Brunoni projektierte Schule liegt in einem Quartier, wo in den Jahren 60-80 eine ungeheuer starke bauliche Ausdehnung zu verzeichnen war. Die grossen privaten Grundstücke wurden innerhalb kurzer Zeit in Wohnzonen umgewandelt, die man der dritten, sogenannten Entwicklungszone zuordnete. Die Monofunktion des Quartiers und die starke Konzentration von Wohnungen, die dadurch entstanden, machten eine konkrete Studie der öffentlichen Grundstücke notwendig. Da sich die Stadt Genf bewusst war, dass solche Parzellen kleine privilegierte Orte bilden sollten, hat sie sich mit dem vom Architekten entwickelten Konzept des intimen Schulhofs befreundet. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Bauherrin und Projektierendem ermöglichte besondere Überlegungen zum Bauprogramm der Schule, zur Situierung und zu den rein konstruktiven Gegebenheiten des Gebäudes. Das Engagement derjenigen, die sich für den Schulhausbau eingesetzt haben, wird im Jurybericht der Interassar noch unterstrichen; letztere hat diesem Gebäude soeben ihren Jahrespreis zuerkannt. Das Programm und das «Innere» Das Bauprogramm einer Schule ist heute eine Summe von Normen, die abwechslungsweise die Flächen, die Grundsätze der Hygiene, der Belichtung und der Sicherheit vorschreiben. Darin bleiben das Klassenzimmer, der Korridor, die Halle und das Lehrerzimmer gleichsam seit Beginn unseres Jahrhunderts rationell kodifizierte Einheiten (siehe H. Baudin,«Les constructions scolaires en Suisse», Genf, 1907). Die Architekten denken nicht im entferntesten daran, diese«Daten»einer Schulhausarchitektur abzulehnen, sondern beschränken sich auf deren Neudimensionierung und Abänderung. Die Typologie ist klar: Alle Klassenzimmer sind gegen eine Fassade orientiert und werden durch einen Korridor auf der andern Seite erschlossen, wo direktes Tageslicht einfällt. Dieses Grundprinzip wird durch eine Erweiterung im traditionellen Programm verändert: Die Diensträume liegen an der Fassade der Gangseite und geben ihr dadurch eine zusätzliche Tiefe; die Klassenzimmer sind in den eigentlichen Unterrichtsbereich und den Gruppen- und Freizeitbereich unterteilt. Der Typ wird auch durch differenzierte Zonen längs des Korridors abgewandelt, wo sich Licht und Dunkelheit folgen. Diese rhythmische Wirkung in der horizontalen Richtung wird in der vertikalen durch optische Verbindungen doppelter Höhe verstärkt. Hier geben die Oberlichter den Blick in den Himmel und auf die Baumkronen frei, und die vertikalen Fenster vermitteln eine individuelle Sicht nach aussen. Diese in der Tiefe der Fassade nuancierte Umsetzung qualifiziert jedes der Typenelemente als Innenraum und gibt ihm seine Identität. Der ausgeführte Komplex und die möglichen Erfahrungen weisen paradoxerweise darauf hin, dass ein Aussenraum ganz verschiedenartig sein kann: Man denke an die Vorstellung von der Strasse als öffentlicher Ort der Begegnung par excellence. Der Schulhof und der Platz Der Schulhof unterscheidet sich ebenfalls von den herkömmlichen Elementen des Schulhausbaus Hier erscheint er schon in den ersten Skizzen als Leitmotiv, das dem Wunsch entspringt, dem Schüler Intimität und Schutz vor den Verkehrsimmissionen zu geben. Von aussen vermittelt die Schule den Eindruck eines monolithischen Gebäudes an der Strasse, ohne ersichtlichen Massstab; von innen hat man eine Schule mit Hof vor sich, wo jedes Element des Bauprogramms ablesbar und identifizierbar ist. Die Wahl der Materialen und ihrer Farben (roter Backstein auf der Strassenseite, weisser Zement auf der Hofseite) unterstreicht natürlich dieses Prinzip. Der Hof ist also das «Herz» eines introvertierten, nach aussen geschlossenen Gebäudes; er wird in diesem Fall, mit den Worten des Projektverfassers gesprochen, mit einer«mediterranen» Architektur gebildet, die die Definition des Hofs mit derjenigen des Platzes verbindet. Konsequent und nach der klassizistischen Tradition schmückt Brunoni den Platz seines Projekts mit einem umlaufenden Portikus. Hier werden die gedeckten Pausenplätze, der Eingang und die Zugänge zu den strassenseitigen Korridoren der ersten und zweiten Obergeschosse untergebracht. Die Gestaltung auf der Hofseite spielt mit der Unregelmässigkeit: Die Säulen stehen abwechslungsweise vor und hinter der Fassadenfront, die Öffnungen sind stark differenziert, und die Fassade ist mit einer Folge von Nischen und Baikonen versehen. Das alles, um aus dem Hof etwas offensichtlich «Wunderliches» im Sinne des 18. Jahrhunderts zu machen. Dieses Vorgehen wäre eine letzte Projektabwandlung des Architekten, der «vor Ort» eine der Schlüsselaussagendes Klassizismus umkehrt: «Chaos und Tumult im Ganzen, (...) Einheitlichkeit im Detail» (Laugier, frei zitiert von Le Corbusier in «Urbanisme», Paris, 1925, S. 65). Inès Lamunière und Patrick Devanthéry Architekten SIA