Der Versuch, Marc J. Saugeys Problematik durch das Lesen seiner Niederschriften näherzukommen, bezieht sich auf eine Reihe von Texten, die er von 1937 bis 1961 in Architektur- und Bauzeitschriften veröffentlicht hat. Vom Historiker Armand Brühlhart erfasst-es sei ihm hier für seine wertvolle Beihilfe herzlich gedankt-bilden sie ein hinreichendes Schriftwerk für die Textanalyse. Gewiss geht das von einem Architekten wie Marc J. Saugey Geschriebene überdie in den sogenannten Fachzeitschriften publizierten Artikel hinaus. Wer sich mit der Gedankenwelt des Architekten Saugey tiefgehender auseinandersetzen will, findet den nötigen Stoff dazu in dessen handgeschriebenen Vermerken, im Briefwechsel, in den Referaten und Vorlesungen, in den an den Grossen Rat in Genf gerichteten Motionen und Interpellationen, in den Berichten der kantonalen Baukommissionen und gegebenenfalls in Artikeln der Lokalpresse. Es soll hier lediglich das Permanente seiner Botschaft, genau so, wie er sie den Architekten und Erbauern in den Fachpublikationen vermitteln wollte, recherchiert werden. Die Gesamtanschauung von Saugey kann dementsprechend hier keineswegs wiedergegeben werden. Unsere Studie möchte sich vor allem einer Sammlung von Mitteilungen an ausgewählte Fachblätter widmen. Sie will sich mit der Schrift oder den Schriftarten und Inhalten befassen. Marc J. Saugeys Werke und deren Begleitschriften erscheinen vorwiegend in ausgesprochenen Fachpublikationen. Diese Revuen jedoch richten sich an ein verhältnismässig breites Leserspektrum. Teils zielen sie einen relativ örtlich und beruflich begrenzten Interessentenkreis an («Bulletin technique de l'Association des techniciens genevois», worin ein Artikel 1942 und ein anderer 1945 rein «technischen» Charakters erscheinen-oder in «Construction», den Architekturbelangen mehr aufgeschlossen, mit Abdrucken in den Jahren 1954 und 1955). Teils wenden sie sich an das sog. beruflich qualifizierte Milieu der Architekten mit einem einzigen Artikel auf nationaler Ebene in «Werk» (1938), der die Verwirklichungen des Architektenkollektivs Lesemann, Saugey, Schwertz und Vincent veröffentlicht. Hinzu kommt ein persönlicher Artikel (1952) sowie ein einziger Beitrag des Verfassers in«Bauen + Wohnen» im Jahre 1953. 87.i
Etliche Schriften von Marc J. Saugey verschaffen sich sogar internationales Gehör; für«Architecture d’aujourd'hui» geht dies sogar über die Grenzen der französischsprechenden Welt hinaus, und zwar bis zu den sechziger Jahren (immer wiederdas Architektenatelier 1937, dann 4 persönliche Texte 1952 und 1954 und nochmals 2 andere 1965). Schliesslich versuchen Zeitschriften den Leserkreis nicht nur bis zu den Architekten zu erweitern, sondern wollen ebenfalls im Rahmen derfranzösichsprechenden Erbauer, Promoteure, Unternehmen, also nicht nur Fachleute und Künstler, sondern auch Laien und Kunden einschliessen. Die zeitliche Folge der Veröffentlichungen von Saugey weisen ein sternförmiges Sprühen seiner Belange auf. Die Verwirklichungen des Architektenateliers, in dem Saugey zusammen mit Lesemann, Schwarz und Vincent Ende der dreissiger Jahre wirkt-und in «Werk» sowie «Architecture d'aujourd'hui» schreibt-geht mit dem Durchbruch der modernen Genfer Werken auf francophoner und Bundesebene parallel. Marc J. Saugeys streng technischer und fachlicher Beitrag zeigt sich während des Krieges im «Bulletin technique de l'Association des techniciens de Genève». Dieses Interesse für die neuen Techniken formuliert er in zwei 1954 und 1955 in der Revue «Construction»erschienenen Artikeln, in denen die«Beziehungen zwischen Architekten und Verwirklichtem» sowie «Architekten und Grossindustrie» angegangen werden. Persönliche Schriften werden hingegen nur unregelmässig in «Werk» und in «Bauen + Wohnen» sowie in «Architecture d'aujourd'hui»zwischen 1952 und 1965 abgedruckt. Kurz nach Kriegsende werden neue Wege wie «Art et Cité»,«Urbanisme-Architecture» (Pierre Cailler, Verleger) und ganz besonders « Formes et Fonctions» (Anthony Krafft, Verleger) eingeschlagen. Letztere Art von Publikation, der Marc J. Saugey sogar finanziell half, hätte zweifelsohne privilegierter Ort seiner Interventionen sein können. Leider stellt er darin mehr seine Verwirklichungen und Projekte aus, als dass er Generelleres schreibt, woraus Schlüsse hinsichtlich seines Denkens gezogen werden könnten. Ausser einem Text, der 1955 in «Urbanisme et Architecture» das Thema «Tradition-Wahrheit einer jeden Epoche» behandelt, finden sich zwei interessante Artikel über«Formen, Techniken, Materialien» (1956) und «Die grossen Ausstellungen, ihre Bedeutung» (1958) in «Formes et Fonctions»erschienen. Es folgt diesen eher «theoretischen»Texten seine «Antwort auf den Fragebogen von Architecture d'aujourd'hui 1965», ebenfalls 1965 verfasst. Das Geschriebene, so scheint es, begleitet Zeichnungen und Abbildungen der Werke und dient ihnen als unentbehrliche Stütze. Die Zeitfolge der Veröffentlichungen entspricht den Abdruckmöglichkeiten, die ihnen die Revuen bieten können. Im Banne der Fachintelligentia öffnen sie ihm nur schrittweise ihre Drucksparten (A.A., Werk, Bauen + Wohnen und wiederum A.A.). Da ihr eigenes originelles Milieu auch ihr Verleger ist, sind sie vorerst mal den Artikeln zugänglich, wo von der Branche die Rede ist (Bulletin technique ATG et Construction). Schliesslich nehmen die «Revues d'art», deren Produktion erteilweise kontrolliert, all das, was er schon schreibt, bereitwillig auf («Art et Cité»,«Urbanisme et Architecture» und vor allem «Formes et Fonctions»), Marc J. Saugeys Zurückhaltung mag erstaunlich wirken in seinen Schriften, insbesondere wenn man Rücksicht nimmt auf den inhaltlichen Wert der von ihm entwickelten städtebauischen und architekturischen Konzepten. Begreiflich wird diese Zurückhaltung, wenn gewissen Faktoren, die damals auf der Gestaltung der Publikationen lasteten, Rechnung getragen wird, und somit der Einfluss dieser Faktoren auch auf den Ausarbeitungsmodus von Saugeys Botschaft verständlich wird. In der Nachkriegszeit verlegt sich das baukünstliche Schaffen ganz intensiv aufs Reissbrett und auf die Baustellen. Nur wenig Zeit bleibt da noch für Überlegung und Schreiben übrig. Die bildliche Darstellung nimmt ihren Siegeszug; der Text rückt zum Kommentar des Bildes zurück und dient nur noch als«Legende»des Werkes. Er hat hauptsächlich das Bauprogramm zu beschreiben, ebenfalls die Ausführung, ja sogar die finanziellen Randbestimmungen. Viel weniger ist dabei die Rede von Handlungsort, Auftraggebung, noch weniger von Beziehungen, Referenzen und Ablauf prozess der Verwirklichung des Werkes... Gelegentlich kann es Vorkommen, dass Marc J. Saugey sich die Mühe gibt, wenn er eines seiner Werke begründet, in einer textbezogenen Einleitung oder im Schlusswort die von ihm angestrebten Ziele nochmals zu bestimmen, diese Ziele, die schlechthin seine in einigen wenigen «theoretischen» Schriften ausgesprochenen Forderungen darstellen. Zu erwähnen sind «Flexibilität des Mietertrages bezüglich des Hôtel du Rhône», «Bautempo (vom Finanziellen abhängig) des Malagnou Parc und
des Mont-Blanc Centre» Geschichte und Entwicklung des Wohnungswesens (Miremont), das Schauspiel (Star und Paris), schiesslich einige Grundbegriffe über Zentralität und Mischbau bezüglich des Gare-Centre. Der Text weist ein flottes Schrifttempo auf. Stets bedacht ist Saugey, auf die Realität des Gegenstandes zurückzukommen, auf die Beweisführung auch dessen vorgegriffene und dringende Aktualität. Satzfluss und verwendeter Wortschatz bleiben eng an Spracheinfachheit gebunden, knüpfen sich an eine direkte technische und fachliche Sprache, mit Ausnahme vielleicht was die Antworten auf die Fragen von «Architecture d'aujourd'hui» betrifft, die in sehr kurzen Abschnitten redigiert sind und sich eines ausweichenderen Aussagemodus bedienen. Wir haben davon abgesehen, vom Mittext abgetrennte Zitate des Autors anzuführen. Es sollte keinesfalls die Auffassung Saugeys, oft in ganzen Abschnitten dargelegt, zu punktuell und zu betont interpretiert werden. So können auch diese«beschreibenden»Texte Saugeys aufgeteilt und um die Pole seiner «theoretischen »Artikel zentriet werden. Die Art, auf die er endgültig die Frage nach Programm und Funktion des Werkes beantwortet, geht weit über die von den damaligen Architekten gegebenen, trotz allem korrekten, Auslegungen. Wie wichtig erdie Bedeutung der Architektur in der Förderung des Werkes empfand, geht aus dieser Anwendung hervor (Siehe «Beziehungen zwischen Architekten und Verwirklichern-«Relations entre architectes et réalisateurs» in «Construction» 1955). Wie präzis von ihm die Bauverfahren beschrieben werden, erscheint uns ebenso aussergewöhnlich. Aus jedem Schriftzug sticht sein Bedachtsein auf den Begriff von «Geschwindigkeit», ein Begriff, den ihm die Welt der Industrie stets suggeriert (Siehe «Architektur und Grossindustrie» in «Construction» 1955). Sichtbar ist ebenfalls die Beziehung zur Immobilienwirtschaft; sie weist eindeutig auf die fördernde Rolle des Architekten hin (Siehe «Beziehungen zwischen Architekten und Verwirklichern», schon erwähnt). Der Drang schliesslich, durch neue Einsatztechniken neue soziale Seinsarten und Gepflogenheiten in der Sprache des Architekten auszudrücken, kommt praktisch in jedem Text zum Vorschein («Urbanisme et Architecture», 1955; Formen, Verfahren, Materialien in «Formes et Fonctions», 1956; «Beantwortung des Fragebogens von «Architecture d'aujourd'hui», 1965). Aus all diesen, nur scheinbar punktuell behandelten Konzepten, schält sich ganz deutlich Saugeys Phantasie heraus, die Phantasie, die er entfalten will, um die Tradition der Neuerung zu verwirklichen. Für ihn steht diese Neuerung in der Geschichte der Baukunst geschrieben. Die ihm eigene Modernität will sie stets behaupten. Jean-Marc Lamunière
Ein herzliches Dankeschön an Jean-Marc Lamunière für den Artikel, den er liebenswürdigerweise über Marc J. Saugey, ehemaliger Mitarbeiter und Mitglied des Redaktionsrates der Sammlung «Architecture», «Formes + Fonctions», niedergeschrieben hat. Saugey war, mit Alberto Sartoris, einer der ersten, die mir mit Rat und Tat in meinen Anfängen als Fachjournalisten und Fachverleger für Architektur beistanden. Anthony Krafft 87. in