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A-ZEICHNUNG - Die Lektüre Boullée als modus operandi

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.Wenn man über die Architekturzeichnung als vorgegebene Tatsache nachdenkt, fangt man unweigerlich an, sich über das Schaffen von Architektur in seiner Gesamtheit Fragen zu stellen, und versucht, die bestehende Beziehung zwischen Zeichnung und Architektur zu bewerten. Der Nutzen für die Bildung, der sich heute für uns aus der Lektüre Boullée ergeben kann, ist in der Art des Werks enthalten, das uns dieser Architekt aus dem Zeitalter der Aufklärung hinterlassen hat: ein Werk, das zur Hauptsache aus Texten und Zeichnungen besteht. Boullée hat die dort enthaltenen Projekte nicht gebaut; seine Leistung liegt in der Beziehung zwischen Text und Zeichnung, die die Einheit des Projekts bilden, wobei der Autor mit Hilfe der Zeichnung die Theorie entwickelt und beweist. Die Prinzipien dieser Theorie werden aus der Beobachtung der Natur und der von ihr ausgelösten Gefühle hergeleitet. Diese Prinzipien beruhen nicht auf einem Studium der bekannten Gebäude der klassischen Architektur, sondern sind das Ergebnis der individuellen Erfahrung und der Selbstbeobachtung. Auf diese Weise ist das Werk autobiographisch, und die Architektur geht über ihre Funktion, das Objekt wiederabzubilden, hinaus, um «Wiederabbild» des durch die Zeichnung dargestellten Objekts zu werden. Das architektonische Schaffen ist eine Handlung, die nicht in sich abgeschlossen ist, sondern in ihrer Ganzheit begriffen werden muss : sein und leben / sein und handeln, so dass Fühlen, Denken und Handeln keine getrennten Bereiche mehr sind. Infolgedessen ist die Welt (die Natur) kein äusseres und abstraktes Phänomen mehr, sondern bestimmt in sich selbst den Lebensinhalt, und das Verständnis für sie (das In-ihrem-Besitz-Sein) wird das Ziel der Handlung: Die Kreatur ist eine Kreatur in der Welt, und durch die Welt verwirklicht sie sich und ihr Werk, das zur Kunst wird. Auf diese Weise bekommt die frühere / nicht gebaute Architektur Gehalt. Indem Boullée die Rückführung der Architektur auf ein technisches Verfahren widerlegt, das aus der Konstruktion das Leitmotiv der Architektur macht und das architektonische Denken an die Bedingungen des gebauten Objekts bindet, versucht er, durch das Studium der Natur die Architektur auf Grundprinzipien abzustützen. Konstanten, die sich aus der subjektiven Beobachtung (dem Empfinden) der natürlichen Phänomene herleiten. In diesem System wird die Natur als idealer Bezugspunkt das Erfahrungsfeld des Seins - als Denken, das sich seiner selbst bewusst ist (Selbstbeobachtung). Die Natur enthüllt dem Beobachter ihr Wesen durch die Gefühle, die sie auslöst, indem sie ihn sich selbst erkennen lässt. Dieser Bezug zur Natur lässt darauf schliessen, dass es eine spezifische, nicht rationalisierbare (objektivierbare) Beziehung zwischen dem Beobachter und dem Objekt gibt, die vergleichsweise zwischen einem empfindsamen Wesen und einem regungslosen Objekt gefühlsmässig besteht. Dies stellt den Menschen ins Zentrum jeder Wahrnehmung oder Tätigkeit. Das Werk besteht durch seine Fähigkeit, sich selbst dem Betrachter zu offenbaren, und in dem Masse, in dem es den Betrachter sich selbst erkennen lässt. Es handelt sich also nicht darum, eine Reihe von Beobachtungen zu reproduzieren, die dadurch objektivierbar und katalogisierbar wären und eine passende Serie unverrückbarer Bilder hergeben würden, sondern um eine Wiedergabe der gemachten Erfahrung/ des erlebten Gefühls, indem man ein analoges Bild komponiert. Die Architektur wird ein Artefakt (eine künstlerische Handlung), ein abstraktes Objekt, mit dem der Handelnde durch das Bild (die Zeichnung) die Bedingungen des Seins in der Welt ins Gegenständliche übersetzt und durch die Komposition des Bildes Rechenschaft über die Weltordnung ablegt.

Die Natur ist die Quelle, der Ursprung, die erste Matrize alles Existierenden; durch die Ordnung, dersie unterworfen ist, offenbart sich in ihrdas Wesen des Seins. Will man sie aisoverstehen, muss man in ihr die Grundprinzipien suchen, Konstanten und Gesetze, die ihrzugrunde liegen, um von ihnen aus die Regeln (die Theorie) der architektonischen Komposition zu entwickeln. Diese Regeln erlauben die Gegenständlichkeit des Bildes; die Darstellung der Ordnung ist an keine Bedingung derZeit (des Kontexts) gebunden, sie vermag vielmehr eine adäquate Antwort auf alle Situationen zu geben. Die Zeichnung nimmt die Vorgaben des Plans und der Gebäudestatik auf und geht über sie hinaus, sie wird zum Feld (zur Gelegenheit) der architektonischen Erfahrung, der Erfahrung des Seins. Va/entino Bruno, Architekt EPFL